Jan Fabel 05 - Walküre
starrte Gabi an. »Ich hatte keine Ahnung ...« Seine Miene wurde plötzlich noch finsterer. »Er hat dich doch nicht angefasst, oder? Wenn er es getan hat...«
Gabi hob die Hand. »Beruhige dich, Dad ... Nein, er hat mich nicht angefasst. Glaub mir, es wäre höchstens zu einem einzigen Versuch gekommen.«
»Der Dreckskerl.« Fabel schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich meine, Renate ... Ich hätte sie mir nie als misshandelte Frau vorgestellt...«
»Nach allem, was du mir gerade über die Polizeiarbeit erzählt hast, scheint mir das eine ziemlich naive Bemerkung für einen Polizisten zu sein. Du müsstest wissen, dass man Opfer von häuslicher Gewalt nie an ihrem Äußeren erkennen kann.«
»Du sagst, es ist nicht sehr häufig passiert?«
»Es war wohl das übliche Muster. Er ist trotz geringerer Provokationen immer gewalttätiger geworden. Ich glaube, Mutti war der Meinung: Wie man sich bettet, so liegt man. Aber irgendwann beschloss sie, ihn hinauszuwerfen.«
»Hast du je gesehen, wie er sie schlug?«
»O nein ... Da war er sehr vorsichtig. Ich wusste nichts, bis Mutti mir davon erzählt hat. Nachdem alles vorbei war. Sie wünschte sich, dass sie sich nie von dir getrennt hätte. Während eurer Ehe wäre es ihr nie in den Sinn gekommen, dass du sie schlagen könntest.«
»Mist«, sagte Fabel. »Ich habe nichts davon geahnt.«
»Vielleicht kannst du jetzt etwas besser begreifen, warum sie dauernd an dir herumnörgelt.«
Die Kellnerin kehrte mit den Speisen zurück. Beim Essen wechselten sie zu allgemeineren Themen über: Schule, Freunde und die Situation zu Hause. Fabel genoss die Gesellschaft seiner Tochter wie immer und war froh, sich leichteren Themen zuwenden zu können. Doch dabei dachte er unablässig an seine Exfrau Renate. Wie entschlossen und unabhängig sie stets gewesen war und wie entwürdigend es für sie gewesen sein musste, von Behrens in ihrem eigenen Haus angegriffen zu werden.
Seine Stimmung verdüsterte sich, und er musste auch an den kurzen Blick denken, den er mit der entschlossenen, unabhängigen Christa Eisel ausgetauscht hatte. Die Erinnerung daran weckte üble Gefühle in ihm.
6.
Ute Cranz schaute auf die Uhr, bevor sie den sorgfältig gedeckten Tisch noch einmal - und abschließend - musterte. Robert Gerdes würde in ein paar Minuten eintreffen. Alles war bereit. Jedes Gericht würde genau zum richtigen Zeitpunkt fertig sein. Und die Küche. Auch in der Küche war alles vorbereitet.
Sie trat auf den Standspiegel im Flur neben der Tür zu. Ihr dunkelrotes Haar war hochgesteckt, Lippenstift und Make-up perfekt aufgetragen. Sie trug ein schlichtes, doch teures tiefgrünes Kleid, dessen Glanz an Haifischhaut erinnerte. Einen Moment lang fürchtete sie, wie ein Reptil auszusehen, aber dann lachte sie über ihre eigene Unsicherheit. Die Farbe und der Schimmer des Kleides ergänzten und betonten nur die üppigen Kupferfarbtöne in ihrem Haar. Ute glättete das Kleid über den Hüften und Schenkeln. Sie sah wunderbar aus.
Hätte Ute eine Bestätigung benötigt, so wurde sie von Gerdes geliefert, der absolut pünktlich eintraf.
»Frau Cranz«, sagte er, nachdem sie die Tür geöffnet hatte, »Sie sehen ... umwerfend aus.« Seine Augen glitten über ihre Figur und verharrten dann auf ihrem Gesicht. Er lächelte wissend. »Ich habe das hier mitgebracht.« Er hielt eine große Aktenmappe hoch. »Es sind die Einzelheiten des Mietvertrags. Ihre sind bestimmt die gleichen.«
Sie nahm den Ordner entgegen und legte ihn auf den Dielentisch. Dann griff sie nach dem Glas, das sie vorher dort für ihn hingestellt hatte. Mit einem Lächeln reichte sie ihm das Getränk.
»Ich dachte, ein Schluck Prosecco wäre nett.«
»Wollen Sie ihn nicht mit mir gemeinsam trinken?«
»In einer Minute.« Ihre roten Lippen öffneten sich und entblößten makellose Zähne. »Würden Sie es sich bitte bequem machen? Ich muss nur noch ein paar Dinge in der Küche erledigen.«
»Sehr gern«, sagte er mit einer höflichen Verbeugung.
Gerdes machte einen geradezu aristokratischen Eindruck in einem Blazer, mit gestärktem weißen Kragen und einer blauen, von dünnen roten Streifen durchzogenen Krawatte. Irgendetwas an ihm bewirkte, dass man ihn einer anderen Epoche -einer vergangenen Zeit - zuordnete.
Ute streckte den Arm in Richtung des Esstisches aus, bedeutete ihm, Platz zu nehmen, entschuldigte sich noch einmal und ging in die Küche. Sie schloss die Tür hinter
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