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Jan Fabel 05 - Walküre

Titel: Jan Fabel 05 - Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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umgebracht hat. Und der Brief...«
    »Was ist damit?«
    »Na ja, er könnte alles Mögliche bedeuten. Ich habe ver­sucht, ihn in einen anderen Zusammenhang zu stellen, also ihn nicht am Schauplatz eines Selbstmords zu sehen. Und dann klingt der Text eher nach jemandem, der sich nicht tötet, son­dern der seine Frau verlässt... >Du musst wissen, dass niemand anders hierbei eine Rolle gespielt hat ...< Wie hätte jemand bei seinem Selbstmord eine Rolle spielen können? Für mich hört es sich eher so an, als habe er mit einer anderen Frau davonlaufen und ihren Namen nicht preisgeben wollen.«
    Fabel dachte über die Worte seiner jungen Kollegin nach, und sie beobachtete ihn aufmerksam wie eine Angeklagte, die auf das Urteil des Richters wartet.
    »Das war eine gute Überlegung.« Er lächelte. »Ich meine, den Brief in einem neutralen Rahmen zu betrachten. Aber wenn es kein Selbstmord war, dann muss es Mord gewesen sein. Und falls er wirklich plante, seine Frau zu verlassen, dann ist sie die Hauptverdächtige. Haben Sie Frau Claasens unter die Lupe genommen?«
    »Ja, Herr Hauptkommissar. Sie war weit von Claasens' Büro entfernt - wofür es ein Dutzend Zeugen gibt. Sie hat an einer Feier im Krankenhaus St. Georg teilgenommen, wo sie als Fach­ärztin arbeitet. Als Onkologin.«
    »Und Claasens?«
    »Wie gesagt, er war Exportmakler und hatte eine eigene Firma, die Importe und Exporte für in Hamburg ansässige Großunternehmen abwickelt. Er war auf den Fernen Osten spezialisiert.«
    »Irgendwelche verdächtigen Verbindungen?«
    »Nicht beruflich. Anscheinend war er einer der geachtetsten Geschäftsmänner in Hamburg. Außerdem hatte er politische Ambitionen und dachte daran, für die Bürgerschaft zu kandi­dieren. Auch das macht mich stutzig: Selbstmörder schmieden gewöhnlich keine Zukunftspläne.«
    »Sie sagten, beruflich habe es nichts Verdächtiges gegeben. Und privat?«
    »Nach meinen Informationen war Claasens ein ziemlicher Frauenheld. Noch ein Grund, warum ich den Brief anders in­terpretieren würde.«
    »Darf ich ihn bitte noch einmal sehen.« Fabel las den Brief erneut durch. »Sie könnten recht haben. Ich werde ein Team abordnen, das den Fall mit Ihnen bearbeiten kann.«
     
    Fabel verließ das Kommissariat am Klingberg, und Iris Schmale strahlte, als hätte sie im Lotto gewonnen. Kein Zweifel, sie war eine aufgeweckte Polizistin, aber auf den ersten Blick gab es kei­nen Hinweis darauf, dass Classens' Tod mehr war, als er zu sein schien: der Fall eines ausgebrannten Unternehmers, der sich von seinem Bürogebäude in die Tiefe stürzt.
    Der Winterhimmel hing finster über dem Kontorhausvier­tel, und auf dem Rückweg zu seinem Auto verspürte Fabel das gleiche quälende Gefühl wie Iris Schmale. Hier machte sich der Instinkt des Polizisten bemerkbar.
    Es wurde bereits dunkel. Fabel warf einen Blick auf seine Uhr, und da Gabi inzwischen aus der Schule heimgekehrt sein musste, beschloss er, sie anzurufen.
    »Was gibt's, Dad?« Fabels Tochter benutzte stets das eng­lische Wort. Alles andere hätte in ihrem Fall unecht geklungen.
    »Hast du Zeit für einen Kaffee?«
    »Was ... jetzt?«
    »Ich könnte dich gegen sechs treffen und mit dir essen ge­hen. Wenn deine Mutter nichts dagegen hat.«
    »Sie macht Überstunden. Ich hinterlasse ihr eine Notiz. Wie immer in den Arkaden?«
    »Wie immer. Bis dann.«
     

5.
     
    Fabel saß in dem Cafe, das auf die Alster hinausblickte. Mitt­lerweile war es so dunkel, dass er nicht mehr sehen konnte, wie die Schwäne über die winterliche Wasserfläche glitten. Statt­dessen starrte sein Spiegelbild ihn an. Er sah müde aus. Und älter. Grau hatte sich in seine blonden Haare eingeschlichen, und die Falten um seine Augen vertieften sich.
    Er trank den Tee, den er bestellt hatte, und wartete auf Gabi.
    Eine Gruppe junger Frauen, fast noch Mädchen, drängte sich um den übernächsten Tisch. Studentinnen, nach ihrem Aussehen zu urteilen. Sie waren zu fünft, und sie lachten und scherzten sorglos, wie es nur junge Menschen können. Fabel wurde plötzlich neidisch auf die noch ungedämpfte Lebens­freude, die er selbst einmal gekannt hatte. Früher.
    Sein Telefon klingelte. Es war Anna Wolff.
    »Jespersens Teddybär«, sagte sie. »Er wurde in einem Ge­schäft im Hanse-Viertel gekauft. Ich habe mit den Angestellten gesprochen, aber Jespersen ist ihnen nicht in Erinnerung. Das hat jedoch wenig zu bedeuten, denn sie haben eine Menge Kun­den, darunter viele Touristen und

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