Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Jan Fabel 05 - Walküre

Titel: Jan Fabel 05 - Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
Vom Netzwerk:
hässlichen Kontroll­punkt und Zäune und so weiter. Aber all das ist inzwischen längst verschwunden.«
    »Wenn Sie mir die Frage nicht übel nehmen: Wie viel Zeit ist seit dem Ableben von Herrn Cranz vergangen?« Gerdes är­gerte sich darüber, dass seine Stimme, jedenfalls in seinen eige­nen Ohren, ein wenig nuschelig klang, doch sonst schien der Wein keine Wirkung auf ihn zu haben. »Mit Verlaub, Sie kom­men mir für eine Witwe tragisch jung vor.«
    »Drei Jahre, fast vier.« Sie füllte sein Glas auf.
    Ute Cranz hatte eine typische Hamburger Aalsuppe serviert, gefolgt von Entenbrust in einer würzigen Orangensoße mit Erdbeerschaum. Er musste zugeben, dass es eine vortrefflich zubereitete Mahlzeit war. Danach goss sie Kaffee und Asbach ein und bat ihn, sich aufs Sofa zu setzen.
    Beim Aufstehen fühlten sich seine Beine wackelig an, und er musste sich am Tischrand festhalten. Was war nur los mit ihm? Er hatte doch gar nicht so viel getrunken. Ute Cranz bemerkte sein Stolpern, äußerte sich jedoch nicht dazu. Trotzdem war es ihm peinlich. Er ließ sich aufs Sofa sinken und nippte an seinem Asbach.
    Ute nahm neben ihm auf dem Sofa Platz. Er lächelte müh­sam. »Leider fühle ich mich nicht sehr gut...« Die Worte woll­ten ihm kaum über die Lippen. Er fühlte sich wie betäubt - und aus irgendeinem Grund verängstigt. Gerdes beschloss, keinen Asbach mehr zu trinken, und versuchte, das Glas auf der Sofa­lehne abzustellen, doch es rutschte ab und zersplitterte auf dem Fußboden. »Entschuldigen Sie«, wollte er sagen, doch er brachte nur ein leises unzusammenhängendes Stöhnen hervor.
    »Das macht nichts.« Sie erfasste den Sinn seiner Worte of­fensichtlich und schien über seinen Zustand keineswegs be­unruhigt zu sein. »Es ist nicht deine Schuld. Es liegt am Metaxalon.«
    Gerdes versuchte, eine Frage zu stellen, doch diesmal brachte er noch nicht einmal mehr ein Stöhnen zustande.
    »Ich musste mir die Sache sehr sorgfältig überlegen, denn ich wollte dich bewegungsunfähig machen, ohne dass eine zu stark sedierende oder schmerzstillende Wirkung eintritt. Das Großartige an Metaxalon ist, dass sich seine Wirkung stark er­höht, sobald es erst einmal verdaut ist.«
    Gerdes wollte sich bewegen, doch seine Arme und Beine schienen aus Blei zu sein.
    »Ach ja, ein bisschen Suxamethonium ist auch noch beige­mischt«, erklärte sie, als habe sie sich plötzlich an den Bestand­teil eines Kuchenrezepts erinnert. »Du weißt schon, Suxamethoniumchlorid. Später spritze ich dir noch ein bisschen mehr davon.«
    Gerdes spürte, wie tief in seinem Innern ein Schrei aufstieg, jedoch nicht an die Oberfläche drang. Sein Kopf kippte nach hinten weg, und sie ließ ihn behutsam auf die gepolsterte Rü­ckenlehne des Sofas sacken.
    »Natürlich bist du vertraut mit Suxamethoniumchlorid«, fuhr sie fort. »Es ist ein wirksames Muskelrelaxans und ein aus­gezeichnetes Hilfsmittel beim Töten. Dadurch kann man den Eindruck erwecken, jemand sei eines natürlichen Todes gestor­ben. Herzversagen. Es sei denn, irgendein penibler Gerichts­mediziner denkt an Hyperkaliämie.
    Keine Sorge, die Menge, die du konsumiert hast, wird dein Herz nicht zum Stillstand bringen. Intravenös ist es viel effek­tiver, aber vor allem ist es farblos, geruchlos sowie wasser- und alkohollöslich. Im Laufe des Abends hast du, zusammen mit dem Metaxalon, ziemlich viel davon zu dir genommen, Robert. Übrigens, stört es dich, wenn ich mit diesem Unsinn aufhöre und dich bei deinem wirklichen Namen nenne, Georg? O ja, ich weiß, dass du Major Drescher bist. Ich weiß genau über dich Bescheid.«
    Sie verschwand kurz in der Küche und kehrte mit einem Metalltablett zurück, auf dem eine Einwegspritze lag. Er wollte schreien, sich widersetzen, sie packen und das Leben aus ihr he­rausquetschen, doch er konnte es nicht. Er war absolut bewe­gungsunfähig. Nur zum Blinzeln war er noch imstande. Grauen durchfuhr ihn, Klaustrophobie: eine durch die Erkenntnis, dass er in seinem eigenen Körper gefangen war, erzeugte Panik. Ute stieß ihm die Injektionsnadel nachlässig und grob in den Unter­arm. Er spürte, wie die Spitze seine Haut schmerzhaft durch­bohrte. Er spürte es, doch er zuckte nicht einmal zusammen.
    »Ja, ich weiß, Major Drescher ... Das war ein kleiner Vor­geschmack. Das Suxamethonium ist kein Narkosemittel und wirkt im Muskelgewebe nur lähmend. Ich verspreche dir, dass du wirklich alles spüren wirst, was ich mit dir anstelle. Es wird

Weitere Kostenlose Bücher