Jan Tabak geht aufs Ganze
Ersatzteile. Hier draußen kriegt man ja nicht mal eine Luftpumpe zu kaufen.“
Als sie durch den Torfkanal fuhren, änderte Lady ihre Lage, ihr waren die Pfoten eingeschlafen. Sie wälzte sich von der linken auf die rechte Seite. Dabei zerdrückte sie die durchgerostete Vorderradgabel von Jans Fahrrad, und die Speichen knackten wie Spaghetti. „Lady“, schrie Jan, „mußt du immer so gewalttätig sein? Jetzt ist mein schönes Fahrrad nur noch von Kunstfahrern zu benutzen. Keine falsche Bewegung mehr, damit wir wenigstens die andere Hälfte heil in die Werkstatt bringen!“
Aber Lady hielt von dem rostigen Vehikel nicht viel. Etwa an der Stelle, wo Oma Jenny über Bord gefallen war, rollte sie sich über die Tretkurbel auf das Hinterrad und verwandelte damit auch diese Hälfte in einen Haufen Schrott.
Jan hörte es knistern und brechen und wußte schon, bevor er sich umdrehte, was geschehen war.
„Nun sagt mal, Kinder“, schimpfte er, „ist Lady nicht ein dummer Hund? So manche Tour hätte ich auf dem schönen Rad noch machen können, nach Borgfeld und zum Hexenberg und wer weiß wohin!“
„Nun übertreib nicht“, sagte Tim, „so schön war es ja nun wirklich nicht mehr.“
Dietrich Gassenkamp hatte seine Werkstatt in der Nähe der Stephaniebrücke. Sie mußten quer durch die Stadt laufen.
Natürlich erregten sie mit dem riesigen Hund, der brav neben ihnen hertrottete, einiges Aufsehen. An jeder Ampel, wo sie auf grünes Licht warten mußten, wichen die Leute ihnen aus und machten Bemerkungen über Lady. Aber die trug das mit Gleichmut und Gelassenheit. Ab und zu zwängte sie sich von hinten durch die Wartenden, um die Sache zu beschleunigen, und konnte dann von Jan oder den Kindern nur mit großer Anstrengung zurückgehalten werden.
Endlich waren sie am Ziel.
Der Mechanikermeister bastelte und werkte in einem abbruchreifen Haus, das in aller Kürze einem Neubau weichen sollte. Ein Geruch nach Öl und Benzin nebelte ihnen entgegen, als sie die Tür öffneten und eintraten. Für Ladys feine Nase mußte das geradezu schmerzlich sein. Aber sie ertrug selbst unangenehme Gerüche, wenn die Menschen, zu denen sie gehörten, ihr sympathisch waren. Und Dietrich war ihr sehr sympathisch.
Sie schoß auf ihn zu, drängte sich an ihn, daß er nach einem Halt angeln mußte, und wischte ihm ihren Schaum in die Hose.
„Hallo, wer kommt denn da zu Besuch?“ rief Dietrich erfreut, rieb sich die ölverschmierten Hände mit einem Benzinlappen ab und begrüßte Jan und die Kinder. „Ihr habt euch doch nicht verlaufen, oder?“
Die Werkstatt war sehr klein und wirkte wie eine Rumpelkammer. Überall standen oder hingen Fahrräder und Fahrradteile. Auf der schwarzglänzenden Werkbank lagen Zangen, Hämmer, zwei neue Schutzbleche, mehrere Kugelkränze und Schraubenschlüssel in allen Größen. Auf dem Bord darüber standen Ölkannen, Fettpressen, Schraubenkästen und Farbtöpfe.
Dietrich, mit seiner dickglasigen Brille auf der Nase, war genauso schmutzig wie sein Arbeitsraum. Er zog eine Bank aus der Ecke hervor und stellte sie seinen Besuchern hin.
„Nehmt Platz“, sagte er, „ihr seid hier ja nicht bei armen Leuten.“ Für die müde Lady breitete er eine alte Schürze aus. Dann zwinkerte er Jan zu und holte eine Flasche aus dem Schubfach in der Werkbank. Aber Jan winkte ab, er hatte eine Flasche mitgebracht. Nach dem zweiten Glas trug er sein Anliegen vor.
„Wir hätten gern ein gebrauchtes Fahrrad von dir, für die Deern hier. Hast du nicht eins auf Lager?“
Dietrich schob seine Mütze in den Nacken und wischte mit dem Handrücken über seine Stirn.
„Mensch, Jan“, sagte er bedauernd, „wenn du eine Woche früher gekommen wärst! Da hatte ich eins, ein schönes Stück, mit Gangschaltung und allen Schikanen. Für siebzig Mark habe ich es verkauft. Jetzt habe ich keins fertig. Ich kann euch natürlich eins zusammenbauen, einen alten Rahmen habe ich noch, aber das dauert ein paar Tage, die Farbe muß ja trocknen.“
„Was hängt denn da für ein komisches Gestell?“ fragte Tim.
„Das ist der Rahmen von einem Tandem, so einem Doppelrad, weißt du. Ich habe ihn entrostet und lackiert. Vielleicht findet sich mal ein Käufer dafür.“
Jan stand auf und guckte sich das rote Ding eingehend aus der Nähe an.
„Wäre das nicht was für euch?“ fragte er. „Wenn ihr beide tretet, kommt ihr doch viel schneller voran und braucht euch nicht so abzustrampeln.“
Tim grinste.
„Das wäre gar nicht
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