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Jan Weiler Antonio im Wunderland

Jan Weiler Antonio im Wunderland

Titel: Jan Weiler Antonio im Wunderland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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ich nervlich nicht mehr durch.
    Antonio ist das, was man einen defensiven Fahrer nennt.
    Man könnte auch Schlafmütze dazu sagen, wenn man nicht verwandt wäre. Er fahrt so langsam, dass man den Eindruck hat, die Landschaft zöge am Fenster vorbei und nicht er an der Landschaft. Er reist wie eine Wolke. Wer mit ihm fährt, muss an jedem Autogrill halten. Dann macht er Dehnübungen und kauft Lemonsoda und facaccia. Das ist ein humorloser Weizenmehlfladen, der mit allerlei Unsinn belegt wird, von dem man Verstopfung bekommt und Durst.
    In Campobasso angekommen, erwartet uns ein kleines Empfangskomitee. Nonna Anna kneift allen in die Wangen, besonders mir. Dann macht sie Kaffee in einer großen Alumi-51
    niumkanne. Sara und ich richten uns im Gästezimmer ein, wo ich wie immer das Bild mit dem weinenden Jungen umdrehe, damit ich später besser schlafen kann. Antonio und Ursula schlafen bei Tante Maria und Onkel Egidio. Nach und nach trudeln die wichtigsten Verwandten ein, und am Ende sind wir zu zwölft beim Abendessen, das stilecht unter einer Neonlam-pe eingenommen wird. Darüber zischt das Insektenkremato-rium, wenn eine Mücke hineinfliegt und verglüht.
    Ich sitze neben Onkel Egidio, einem Baum von einem Mann mit Händen wie Tischtennisschläger. Ich mag ihn, weil er so komische Geschichten erzählt und mich immer auf Deutsch begrüßt: «Guten Tack, Blitzkrieg Kartoffel.» Das ist sein Name für mich, ich heiße Blitzkrieg Kartoffel. Obwohl ich im Laufe der Zeit rudimentäre Kenntnisse des Italienischen erworben habe, muss Sara für mich übersetzen, denn hier wird ein Dialekt gesprochen, der nur noch die allernötigsten Konsonanten gebraucht, der Rest wird verschluckt oder ausgehustet. Nach den Nudeln und vor dem Kotelett unterhalten wir uns, das heißt, alle reden durcheinander, und ich lächle dazu. Sara gibt sich die größte Mühe, für mich die wesentlichen Fäden dieses Stimmengewirrs in der Hand zu behalten, aber es gelingt ihr meistens nicht. Nur wenn Nonna Anna etwas sagt, schweigt der Rest der Familie. Das ist ein großes Privileg, von dem sie leider zu selten Gebrauch macht. Sie erzählt die Geschichte von dem Konditor, der jüngst einen Verlobungsring in eine Torte einbacken sollte.
    Der Mann, der die Torte bestellt hatte, brachte sie seiner Freundin, und gemeinsam aßen sie die Torte. Leider kam der Ring dabei nicht zum Vorschein. Der junge Mann fühlte sich betrogen und ging zu dem Konditor, um das Schmuckstück zurückzufordern. Der Konditor schwor aber, den Ring in die Torte getan zu haben.
    52
    Am nächsten Tag erschien eine Frau mit zwei Polizisten in der Konditorei. Die Polizisten sollten den Konditor verhaften, denn dieser, so zeterte die Dame, hatte ihren Hund auf dem Gewissen. Der Hund, ein Dackel mit Namen Atollo, war nach dem Verzehr der Torte verschieden. Dem Konditor schwante, wo der Verlobungsring steckte, und bat die Frau, Atollo obduzieren zu lassen, was diese gegen Zahlung eines Schmerzensgeldes erlaubte – und tatsächlich hatte der Hund den Ring verschluckt. Der Konditor säuberte den Ring und gab ihn dem Mann zurück, der ihn noch am selben Tag seiner Braut an den Finger steckte – ohne zu wissen, dass der Ring zwei Tage in eines toten Teckels Speiseröhre gesteckt hatte.
    Alle sind sich einig, dass dies ein böses Omen für die Ehe ist.
    Dann kommen die Schweinekoteletts. Ich habe mich längst daran gewöhnt, dass man sich erst einmal mit Nudeln satt isst, um hinterher noch einen Gang Fleisch nachzudrücken.
    Ich esse auch brav und beklage mich nicht mehr über die Mengen. Solche Beschwerden werden nämlich grundsätzlich missverstanden.
    Wenn ich früher sagte, dass es ja ganz schön viel zu essen gebe, dann wurde dies immer als Aufforderung betrachtet, noch mehr aufzutischen. Gleiches gilt, wenn ich sagte, dass ich satt sei. Man glaubt mir hier grundsätzlich nicht. Ich müsste schon das Essen gegen die Wand werfen oder mit der Gabel nach der Oma stechen, um meinen Worten eine gewisse Ernsthaftigkeit zu verleihen. So jedoch sitze und mampfe ich, und die anderen sehen mir dabei zu, Sie nehmen an, dass ich immer und immer Hunger habe. Nach den Koteletts gibt es zum Plaudern noch Oliven, Käse und Würste in unterschied-lichen Grobheitsstufen. Sehr lecker, wenn man hungrig ist.
    Fürchtbar, wenn man nichts mehr hinunterbekommt. Doch Nonna Anna ist unerbittlich.
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    «Nimm noch Salami!»
    «Nein, vielen Dank.»
    «Du magst keine Salami.»
    «Doch, natürlich mag ich

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