Jane Christo - Blanche - 01
können.“
Fragen über Fragen. Ihre Schultern sackten hinab und mit ihnen fiel ihr Spott in sich zusammen. Wo war sie hier nur reingeraten? Sie war ein Dämonenkind! Teil eines Programms, das zu ihrer Zeit gründlich in die Hose gegangen ist. Wer immer dieser besoffene Bastard war, der an ihren Schicksalsfäden zog, hatte hoffentlich seinen Spaß.
„Weißt du, wer … ich meine …“
„Das wüsste ich auch gern.“ Er zog ein Taschenmesser aus den Tiefen seines Mantels und streckte seine Hand nach ihr aus. „Darf ich?“
„Darfst du was?“
„Ein Tropfen Blut wird mir hoffentlich etwas über deine Herkunft sagen.“
Die Farbe entwich ihren Wangen. Ihr Brustkorb fühlte sich an, als würde er in einer zu engen Rüstung stecken. Wie lange hatte sie auf diesen Augenblick gewartet? Doch nun, da sie zum ersten Mal davorstand, etwas über ihre Eltern zu erfahren, zögerte sie. Ein Dämon im Stammbaum war nicht gerade das, was sie sich unter Familienbande vorgestellt hatte. Was, wenn sich herausstellte, dass Saetan ihr Vater war? Wie in Trance streckte sie die Hand aus und legte sie in Miceals offene Rechte. Der Schnitt in die Spitze ihres Zeigefingers war kurz und scharf. Dann wischte er das Blut mit dem Daumen fort, legte ihn an seine Lippen und schloss die Augen. Die hellen Brauen unter der Mütze zogen sich zusammen, sein Ausdruck wirkte hoch konzentriert. Der Engel atmete tief ein, und hielt die Luft an. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, als er endlich den angehaltenen Atem ausstieß und die Lider öffnete. Der Blick seiner türkisfarbenen Augen war unergründlich.
„Was?“, schnappte sie. Dabei wurde ihr bewusst, dass sie ebenfalls die Luft angehalten hatte.
„Über deine Mutter kann ich nichts sagen“, bemerkte er und sie wusste im gleichen Augenblick, dass er sie belog. Zumindest verriet er nicht die ganze Wahrheit, was einer Lüge ziemlich nahe kam. Na toll, offensichtlich waren Engel bessere Heuchler als Dämonen. „Dein Vater jedoch …“ Er schüttelte den Kopf. „Ich hätte es mir denken können.“
„Was!“
„Du stammst in direkter Linie vom Schwarzen Gott ab.“
War ja klar. Von allen räudigen Dämonenvätern musste sie ausgerechnet Tchorts Tochter sein. Seelen ergaunern und dämonische Verträge aufzusetzen musste eine zeitraubende Arbeit sein, dass er sich nie hatte blicken lassen. Aber was wusste sie schon, womit sich so ein Schwarzer Gott herumschlagen musste. Hieß das eigentlich, dass sie nun Wasser in Gift wandeln und Kranke noch kränker machen konnte? Unwillkürlich umfing sie sich mit beiden Armen, um die innere Kälte zu vertreiben, die ihr diesmal nicht willkommen war. Vielleicht gab es ja auch eine gute Nachricht.
„Was ist mit meiner Mutter?“
Der Erzengel schüttelte den Kopf. Den Verwirrten spielte er wirklich gut – aber nicht gut genug. „Ich werde dieser Frage nachgehen, darauf hast du mein Wort.“
Aber klar doch.
Er blickte auf und sah sie versonnen an. „Wusstest du, dass sowohl Engel als auch Dämonen den Himmelsrichtungen und Elementen zugeordnet sind?“
Und wenn schon.
„Beliar ist der Wächter des Nordens und steht für das Feuer. Tchort herrscht über den Osten, sein Element ist die Erde. Wenn wir mehr über deine Mutter erfahren wollen, müssen wir abwarten, zu welchem Element du einen Zugang entwickeln wirst.“ Seine Linke fuhr über die kurzen blonden Bartstoppeln auf dem Kinn. „Sollte sich herausstellen, dass deine Mutter dem Sünden zugeordnet ist, wärst du eine Tochter des Westens und hättest eine Affinität zum Wind.“
Der Typ ging ihr allmählich auf den Geist. Was faselte er von Himmelsrichtungen und dem Wind, das interessierte sie einen Scheiß. Wer zur Hölle war ihre Mutter?
„Ihr würdet ein gefährliches Quartett für Saetan bilden: vier Himmelsrichtungen, vier Elemente. Damit wärt ihr in der Lage, einen Machtzirkel heraufzubeschwören, der unserem Höllenfürsten gefährlich werden könnte – zumal ihm zwei seiner wichtigsten Dämonen abhandengekommen sind.“ Er schüttelte den Kopf und murmelte: „Eine ungewöhnliche Situation – ich werde darüber nachdenken müssen.“
Machtzirkel interessierten sie einen feuchten Kehricht. Wo blieb sein verdammtes Angebot?
„Wir sollten allerdings davon ausgehen“, sinnierte er weiter, „dass Saetan über deine Herkunft im Bilde ist – zumindest über die väterliche Linie. Das würde sein auffälliges Interesse an dir erklären.“
Sie beschloss, ihren
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