Jane Christo - Blanche - 01
Ledermantel. Er ragte wie eine lebende Statur aus der Menge heraus. Umgeben von seinen Schwingen, den Kopf gesenkt, die Lider geschlossen. Obwohl sie ihn nicht sehen konnten, beschrieben die Reisenden einen Bogen um ihn, als wäre er ein Fels im Fluss, der das Wasser teilte. Wie war es ihnen möglich, ihn nicht wahrzunehmen? Diesen archaischen Krieger mit den ausgebreiteten Flügeln, die ihn wie schwarzer Rauch umgaben. Blanche stutzte. Sie sahen irgendwie anders aus. Weicher. Außerdem schimmerten sie im schwachen Licht der Halle. Blanche schnappte nach Luft. Seine Flügel! Vorsichtig streckte sie die Hand aus und berührte die seidigen Federn, die so rabenschwarz waren wie sein Haar.
Beliars Augen öffneten sich und diesmal tobte kein Sturm darin. Zum ersten Mal wirkten sie vollkommen friedlich.
„Was ist mit dir passiert?“, flüsterte sie.
„Das warst du.“ Er zog sie in die Arme und drückte sie fest an sich. „Hättest du Miceals Angebot abgelehnt, wäre ich zurück zu Saetan gegangen und hätte seine Strafe auf mich genommen.“ Die weichen Schwingen schlossen sie wie ein Kokon ein und erzeugten eine verwirrende Nähe. „Mein neues Gefieder ist Miceals Art, mir zu danken.“ Er lachte kurz auf. „Als ob ich dich zu irgendetwas überreden könnte.“
Blanche stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. „Wenn das jemand schafft, dann du“, flüsterte sie. Sein ungläubiger Blick ließ sie lächeln. Leise murmelte sie: „Ich glaube, wir müssen an deinem Selbstbewusstsein arbeiten.“
„Lass uns gleich damit anfangen“, knurrte er und küsste sie, als wollte er sie verschlingen.
„Ich würde jetzt gern nach Hause gehen“, keuchte sie, nachdem sie wieder zu Atem gekommen war.
„Ja“, sagte er und lächelte. „Du musst mir weiter aus deinem Buch vorlesen. Ich will unbedingt wissen, für wen sich Erienne entscheidet. Für das Monster, Lord Saxton oder diesen arroganten Schönling Christopher.“
Blanche verzog einen Mundwinkel „Als ob du das nicht wüsstest.“
Seine Lippen berührten ihr Ohr, als er flüsterte: „Ich weiß nur, dass du eine Schwäche für Bestien hast.“
„Du bist keine Bestie“, hauchte sie an seine Lippen. „Du bist ein Gefallener.“
„Ein Geächteter“, korrigierte er.
„Ein Abtrünniger.“
„In jedem Fall werden Saetans Großfürsten bald Jagd auf uns machen.“
„Ja“, sagte sie und ihre ganze Vorfreude lag in diesem einen Wort. „Und dann werden wir ihnen mit Anlauf in den Arsch treten!“
Beliar schmunzelte.
„Du wolltest wohl erlösen sagen.“
Er steckte seine Hand in die Außentasche seines Mantels und zog drei Glasphiolen heraus. Vorsichtig nahm sie eine und hielt sie gegen das trübe Deckenlicht. Ein reiskorngroßes Kügelchen schwamm in einer dunklen Flüssigkeit, die wie Motoröl aussah. Die winzige Kugel leuchtete bei jeder Bewegung grell auf wie eine Miniatursonne, deren Strahlen unter einer dicken Wolkendecke hervorzuckten. Das also war Lichtenergie.
Beliar nahm die Patrone wieder an sich und steckte sie ein. Dann schob er seine Hand in ihre. „Lass uns nach Hause gehen, Blanche. Es gibt viel zu tun.“
Damit stieß er sich mit ihr im Arm vom Boden ab und flog durch ein offenes Deckenfenster in die Nacht hinaus. Als sie zurückblickte, entdeckte sie einen einzelnen Mann in der Menge. Er trug einen hellen Mantel und eine schwarze Mütze, unter der silbrig-blondes Haar hervorlugte. Er war auf dem Weg zu den Gleisen, schien ihre Präsenz jedoch zu spüren, denn er rieb sich den Nacken und sah nach oben. Als sich ihre Blicke trafen, leuchteten seine türkisfarbenen Augen auf. Er nickte ihr zu und lächelte. Dann wandte er sich um und tauchte im Gewühl der Reisenden unter.
Danksagung
Ich bin so vielen Menschen zu Dank verpflichtet, die mir geholfen haben, Blanche ins Leben zu rufen und in die Bücherregale zu bringen, darum bitte ich um Nachsicht: Das hier könnte länger dauern.
Allen voran danke ich Thomas, der Liebe meines Lebens – Du bist das Beste, das mir je passiert ist. Danke, dass du mir geholfen hast, auch wenn ich wochenlang in einem Paralleluniversum gelebt habe, in dem es im Kern um Waffen, Ballistik und Mafiastrukturen ging. Dass du mich unterstützt hast, selbst wenn ich Dir zum Essen Handlungsverläufe statt Gemüseauflauf serviert habe. Und meiner wunderbaren Mutter, die mehr Herzensgüte und Geduld besitzt als jeder andere Mensch, den ich kenne. Ich liebe Dich und bin unbeschreiblich dankbar, dass du
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