Jane Christo - Blanche - 01
nicht gesagt? Er schien ihr diese Frage vom Gesicht abzulesen, denn sein Ausdruck verdüsterte sich.
„Er ist eine frana, eine Niete, die ich durchfüttern muss, weil ich es seinem Vater versprochen habe. Er war ein feiner Mann, Pierres Vater, aber sein Sohn …“ Er winkte ab. „Ich werde ihm eine andere Aufgabe zuteilen müssen, aber der Junge taugt zu nichts. Was für eine Arbeit soll ich ihm geben?“ Den letzten Satz murmelte er grimmig. Dann wandte er sich wieder Nella zu. „Du hast gesagt, er behandelt dich gut, eh?“
Sie zuckte mit den Schultern. Pierre schlug sie nicht, das war mehr, als andere von ihrem Zuhälter behaupten konnten.
Enzo ließ das Thema vorerst auf sich beruhen. „Sag mir, was du noch weißt, gattina mia.“
Nella holte tief Luft. Zeit, alte Rechnungen zu begleichen.
Wenn ihr jemand vor vierundzwanzig Stunden gesagt hätte, dass sie einmal im exklusivsten Pariser Luxushotel übernachten würde, hätte sie denjenigen für einen Volltrottel gehalten. Tatsache war, dass Beliar genau dieses Hotel ausgesucht hatte. Das Georg V. war die erste Wahl der Superreichen und Superschönen, wenn sie mit ihrem Privatjet in Roissy einflogen. Es lag ruhig und doch zentral im Bermudadreieck Eiffelturm-Place Charles de Gaulle und dem Champs-Élysées.
„Sag mal, hast du sie noch alle?“, fuhr sie ihn an, als er die Tür zu ihrer Suite öffnete. „Was soll ich denn in diesem teuren Schickimicki-Schuppen?“
„Was interessiert dich der Preis? Saetan kommt für deine Unkosten auf.“
„Ich komme selbst für mich auf“, fauchte sie und sah sich gegen ihren Willen beeindruckt in der Royal-Suite um. Eigentlich hätte sie der schockierende Pomp abstoßen müssen, denn sie war eher der spartanische Typ und liebte das japanisch Zen-mäßige. Dennoch konnte sie sich dem Zauber dieser Räume nicht entziehen, die eine üppige Eleganz ausstrahlten und doch unaufdringlich, fast unschuldig wirkten. Die Suite, die in warmen Cremetönen gehalten war, duftete nach Freesien. Kein Wunder, denn im Raum standen zahlreiche Beistelltische mit bunten Blumenbuketts im Biedermeierstil. Auf den Sofas türmten sich wahre Kissenberge, die praktisch darum bettelten, auf ihnen herumzuspringen und eine Kissenschlacht anzuzetteln. Wenn sie allein gewesen wäre, hätte sie sich auf den flauschigen Teppich vor dem flackernden Kamin geworfen und sich wie ein Welpe darauf gewälzt. Nichtsdestotrotz startete sie einen letzten Versuch, diesem dekadenten Überfluss zu entkommen.
„Warum gehen wir nicht ins Hotel Le Cardinal oder ins Du Casino? Die sind billiger und liegen viel näher am Boulevard de Clichy.“
„Das sind Dreckslöcher, wie alle Absteigen in denen du bisher gelebt hast. Du brauchst Ruhe, um Kraft zu tanken. Und genau das wirst du hier bekommen. Außerdem musst du aus deiner Szene raus, denn dort werden sie dich als Erstes suchen.“
Sie knirschte mit den Zähnen. Zwei zu null für ihn. „Wie willst du das hier überhaupt bezahlen, mit deiner Dämonican Express Card? Am Ende sitze ich auf der Rechnung und du machst dich aus dem Staub.“ Sie war Hütten gewöhnt, bei denen man im Voraus zahlen musste, sonst konnte man gleich Leine ziehen.
„Diese Suite ist für eine Woche gebucht und bezahlt, Blanche.“
Als wäre damit alles gesagt, schritt er an ihr vorbei und betrat das Badezimmer, oder sollte sie besser
salle de bain
sagen, denn ein Saal war es tatsächlich. Eine gigantische runde Badewanne thronte in der Mitte des Raums, die dazu einlud, ein paar Bahnen zu schwimmen. Sie war von Obstschalen flankiert, wahrscheinlich für den kleinen Hunger, nachdem man dort ein paar Stunden totgeschlagen hatte. An der Wand gegenüber der Tür befanden sich weitere Ziertischchen mit Blumen sowie zwei antik aussehende Sessel voller Brokatkissen. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie der Dämon die goldenen Wasserhähne der Badewanne aufdrehte.
„Was machst du da?“
„Während du badest, bestelle ich etwas zu essen.“
„Du kannst mich mal! Ich bade, wann ich will, und ich habe überhaupt keinen Hunger, also warum ver…“ Ihr knurrender Magen stahl ihr die Show, was sie so rasend machte, dass sie Beliar am liebsten erwürgt hätte.
Plötzlich sog der Dämon mit einem leisen Seufzer tief und gründlich die Luft ein. Blanche erschauderte, dann verrauchte ihre Wut so schnell, wie sie gekommen war.
„Na toll“, murmelte sie „Bonne Appetit. Und jetzt mach, dass du hier rauskommst.“ Mit der Schuhspitze schloss sie
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