Jane Christo - Blanche - 01
die Tür hinter ihm und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. „Bestell mir etwas Vegetarisches! Nudeln und einen Nachtisch, irgendetwas Süßes“, rief sie ihm hinterher und grinste, aber nur, weil sie wusste, dass er sie nicht sehen konnte.
„Sehr gern, Blanche“, flüsterte er von der anderen Seite der Tür.
Es klang, als wäre er direkt neben ihr. Sie quiekte und machte einen Satz. Dass sie sein leises Lachen hören konnte, machte es auch nicht besser.
Freak!
Enzo legte den Hörer auf und wandte sich an Nella, die sich wie eine Katze im Bett zusammengerollt und ihn bei seinen Telefonaten beobachtet hatte. Sie empfand es als Auszeichnung, dass sie nicht aus dem Zimmer geschickt wurde. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, hatte er ihr sogar etwas zu Essen kommen lassen.
„Cosí, gattina mia, wenn ich gleich einen Anruf bekomme, wissen wir vielleicht wo deine Freundin steckt.“ Sein Blick glitt über ihren spärlich verhüllten Körper, doch sie sah nicht die übliche Gier, sondern Anerkennung – Bewunderung? „Wirst du dann wieder glücklich sein?“
Sie nickte, gefangen von seinen braunen Augen, die sie innerlich wärmten. Er beugte sich über sie und zog sie in seine Arme. „Wie glücklich, cara?“
„Sehr“, hauchte sie atemlos.
„Glücklich genug, um mir einen Kuss zu schenken?“
Das Klingeln des Telefons ersparte ihr für den Augenblick die Antwort.
„Che cosa?“
Nella lauschte mit angehaltenem Atem.
„Wo hat er das Lagerhaus gemietet?“
Eine unheilvolle Pause entstand.
„In meinem Arrondissement?“, donnerte er. In der folgenden Stille versuchte sein Gesprächspartner, etwas zu erklären, das nicht zu erklären war. Enzo stoppte ihn mit einem Fluch.
„Nimm Giacomos Leute. Außerdem Lucas und Ernesto. Das wird noch heute Nacht erledigt, capito?“ Er legte auf, ohne eine Erwiderung abzuwarten. Dann drehte er sich zu ihr. Seine Augen glänzten gefährlich.
„Nun, gattina mia, wie lautet deine Antwort?“
Das Bad tat ihr gut. Beliar konnte buchstäblich spüren, wie sich Blanche entspannte. Vielleicht wäre es damit vorbei gewesen, hätte sie geahnt, was in diesem Moment in ihm vorging. Dass er seinen Platz an der Tür nicht aufgegeben hatte. Dass seine Hand eine bestimmte Stelle auf der Brust suchte, den Ort, wo normalerweise ein Herz schlägt. Dass er zutiefst verwirrt über die Tatsache war, dass sie sich vor ihn geworfen und zwei Kugeln abgefangen hatte – als ob ihn so etwas hätte verletzen können.
Aber daran hatte sie im entscheidenden Augenblick nicht gedacht.
Wie von selbst fuhren seine Finger über seine linke Brust. Blanche war vorgesprungen, um sein lausiges Leben zu schonen. Sie war bereit gewesen, sich für ihn verletzen, womöglich sogar töten zu lassen. Noch nie zuvor hatte sich jemand vor ihn gestellt, um ihn zu beschützen. Schon gar nicht ein zerbrechlicher Mensch.
Sterbliche, dachte er, wobei er die aufkommende Verachtung nicht zurückhalten konnte. Seit Urzeiten jagte er sie, hatte in seinen dunkelsten Stunden für den Herrn der Finsternis ganze Städte unterworfen. Die menschliche Rasse war für ihn nichts weiter als ein Zeitvertreib gewesen, um die Ewigkeit zu verkürzen. Sie waren Energiewirte, die es nicht besser verdient hatten, als vom Höllenfürsten versklavt zu werden. Ihre einzige Daseinsberechtigung bestand darin, Saetans Macht zu stärken und mit ihm seine Vasallen. Menschen waren Feiglinge, die sich ohne zu zögern in den Staub warfen, um ihr erbärmliches Dasein zu verlängern. Umso mehr erstaunte ihn die Reaktion dieser Sterblichen, deren ungezähmter Geist eine irritierende Anziehungskraft auf ihn ausübte.
Was hatte sie sich dabei gedacht? Warum war sie bereit gewesen, sich für ihn zu opfern?
Und bei allen Höllenfeuern, was war das für ein bizarrer Schmerz in seiner Brust? Abermals legte er die rastlose Hand auf sein Herz, dessen sanften Schlag er zum ersten Mal seit einem Jahrtausend wieder spürte.
Etwas hatte sich verändert.
Eine Frage formte sich in seinem Geist. Sie kam aus den Untiefen seines Bewusstseins, wohin er sie vor langer Zeit verbannt hatte. Es war die Frage, die ihn seit Äonen gequält und über die nachzudenken er sich hartnäckig geweigert hatte. War er vielleicht doch nicht für alle Zeit verdammt?
Blanche setzte sich in dem mittlerweile lauwarmen Badewasser auf und biss in einen Apfel. So gut hatte sie sich lange nicht mehr gefühlt. Sie nutzte diesen kostbaren Moment der Ruhe und ließ ihren
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