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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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geschah auf seinen Rat, dass mein Vater den größten Teil seines Vermögens in jene Spekulation steckte, welche ihn ruinierte. Gegenseitige Vorwürfe flogen zwischen ihnen hin und her,sie trennten sich im Zorn und versöhnten sich niemals wieder. Mein Onkel wurde später in glücklichere Unternehmungen hineingezogen; wie es scheint, erwarb er ein Vermögen von zwanzigtausend Pfund. Er war niemals verheiratet und hatte außer uns und noch einer Person, die ihm durchaus nicht nähersteht als wir, keine nahen Verwandten. Mein Vater hegte stets den Glauben, dass er seinen Irrtum wiedergutmachen würde, indem er uns sein Vermögen hinterließ. Doch dieser Brief unterrichtet uns davon, dass er jeden Penny jener anderen Person hinterlässt – mit Ausnahme von dreißig Pfund, welche zwischen St. John, Diana und Mary Rivers geteilt werden sollen, um drei Trauerringe dafür zu kaufen. Natürlich hatte er ein Recht, mit seinem Geld zu machen, was er wollte, und doch wirft eine solche Nachricht eine augenblickliche Verstimmung auf das Gemüt. Mary und ich würden uns reich erachtet haben, wenn er jeder von uns tausend Pfund hinterlassen hätte; und für St. John wäre dieselbe Summe von großem Wert gewesen um der Wohltaten willen, die er damit hätte vollbringen können.«
    Nach dieser Erklärung wurde das Thema fallengelassen und niemand, weder Mr. Rivers noch seine Schwestern, erwähnte es je wieder.
    Am folgenden Tag übersiedelte ich von Marsh End nach Morton. Tags darauf begaben Diana und Mary sich auf die Reise nach dem weit entfernten B***, und eine Woche später zogen auch Mr. Rivers und Hannah zum Pfarrhof. Nun stand das alte Haus verlassen.

Einunddreißigstes Kapitel
     
    Meine Heimat ist also – nun, da ich endlich ein Heim gefunden habe – ein Cottage: ein kleiner Raum mit weiß getünchten Wänden, ein mit Sand bestreuter Fußboden, vierbemalte Stühle und ein Tisch, eine Uhr, ein Schrank mit zwei, drei Tellern und Schüsseln und ein Teeservice aus Delfter Steingut. Darüber ein Zimmer von derselben Größe wie die Küche, mit einer Bettstelle aus Tannenholz und einer Kommode, die zwar klein, aber dennoch zu groß ist, um durch meine ärmlichen Kleidungsstücke ausgefüllt zu werden – obgleich meine gütigen, großmütigen Freunde dieselben um einen kleinen Vorrat der allernotwendigsten Dinge vermehrt hatten.
    Es ist Abend. Mit einer Orange als Belohnung habe ich die kleine Waise entlassen, welche mir als Hausmädchen dient. Ich sitze allein am Herd. Heute Morgen ist die Dorfschule eröffnet worden. Ich habe zwanzig Schülerinnen. Nur drei von ihnen können lesen, nicht eine Einzige kann schreiben oder rechnen. Mehrere können stricken, einige nähen ein wenig. Sie sprechen den breitesten Dialekt der Gegend. Gegenwärtig fällt es uns sogar noch schwer, einander zu verstehen. Einige von ihnen sind ebenso ungezogen, roh und unumgänglich wie unwissend; andere wieder sind sanft, hegen große Lernbegierde und zeigen Anlagen, welche mir Freude machen. Ich darf nicht vergessen, dass diese armselig gekleideten kleinen Dorfmädchen ebenso gute Kinder sind, wie die Sprösslinge der edelsten Geschlechter, und dass die Keime angeborener Vortrefflichkeit, Verfeinerung, Intelligenz oder Seelengüte wahrscheinlich ebenso gut in ihren Herzen schlummern wie in denen der Höchstgeborenen. Meine Pflicht wird es sein, diese Keime zu entwickeln; gewiss wird es mir Befriedigung und Genugtuung gewähren, wenn ich dieses Amt gewissenhaft ausübe. Viel Freude erwarte ich nicht vom Leben, das vor mir liegt, aber es wird mir zweifellos gelingen, mich wenigstens von einem Tag zum andern zu bringen, wenn ich mein Gemüt wappne und meine Kräfte bis aufs Äußerste anstrenge.
    War ich fröhlich, zufrieden und ausgeglichen während der Stunden, die ich an diesem Morgen und am Nachmittagin dem kahlen, bescheidenen Schulzimmer dort unten verbracht hatte? Wenn ich mich nicht selbst täuschen will, so muss ich entgegnen: Nein, bis zu einem gewissen Grade war ich trostlos. Verrückt, wie ich bin, fühlte ich mich herabgewürdigt. Ich hatte wohl einen Schritt getan, der mich in der menschlichen Gesellschaft eher herabsetzte als emporhob. Ich war schwach genug, über die Armseligkeit und Rohheit all dessen, was ich um mich herum sah und hörte, empört zu sein. Aber ich will mich um dieser Gefühle willen nicht zu sehr hassen und verachten: Ich weiß, dass sie Unrecht waren, und das ist schon ein großer Schritt zur Besserung. Ich werde

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