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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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ist sie ein wundervolles Mädchen – ein wenig sorglos vielleicht, aber Sie machen sich ja hinreichend Gedanken für sich selbst und sie. Sie sollten sie wirklich heiraten.«
    »Mag sie mich denn wirklich?«, fragte er.
    »Gewiss. Mehr als irgendeinen anderen Menschen. Sie spricht unaufhörlich von Ihnen; es gibt kein Thema, das ihr so lieb wäre oder das sie so oft berührte.«
    »Es ist sehr wohltuend, dies zu hören«, sagte er, »sehr. Bitte, fahren Sie noch eine Viertelstunde so fort.« Und wirklich zog er seine Uhr aus der Tasche und legte sie vor sich auf den Tisch, um die Zeit zu bemessen.
    »Aber was nützt es denn, fortzufahren«, fragte ich, »wenn Sie so dasitzen und wahrscheinlich irgendeinen eisernen Faustschlag des Widerspruchs vorbereiten oder eine neue Kette schmieden, um sie Ihrem armen Herzen anzulegen?«
    »Bilden Sie sich doch nicht solche fürchterlichen Dinge ein. Denken Sie lieber, ich gäbe nach und schmölze dahin,wie ich es jetzt tue: Irdische Liebe sprudelt wie ein frischer Quell in meiner Seele und ergießt sich mit ihrem süßen Rieseln über das ganze Feld, das ich so sorgsam und mühevoll bearbeitet, so fleißig mit der Saat guter Vorsätze und selbstverleugnender Pläne bebaut hatte. Und jetzt überschwemmt es eine Flut aus himmlischem Nektar – die jungen Keime werden ertränkt, und süßes Gift lässt sie verfaulen. Ich sehe mich auf einer Ottomane in Vale Hall, zu den Füßen meiner Braut Rosamond Oliver, sie spricht zu mir mit ihrer melodischen Stimme, blickt auf mich herab mit jenen Augen, die Sie so geschickt gemalt haben, lächelt mich an mit jenen Korallenlippen. Sie gehört mir – ich gehöre ihr – dieses irdische Leben, diese wandelbare Welt genügt mir! Still! Sagen Sie nichts – mein Herz ist voll Wonne, meine Sinne sind bezaubert – lassen Sie diese Viertelstunde in Frieden vorübergehen.«
    Ich tat ihm den Willen. Die Uhr tickte weiter, er atmete schnell und leise, und ich stand schweigend neben ihm. Und in dieser Stille ging die Viertelstunde vorüber. Dann schob er die Uhr wieder in die Tasche, legte das Bild hin, erhob sich und stand vor dem Kamin.
    »Nun«, sagte er, »diese kurze Spanne Zeit war der Phantasie und der Illusion gegönnt. Ich lehnte meine Wange an den Busen der Versuchung, beugte meinen Nacken freiwillig unter ihr Blumenjoch und kostete von ihrem Becher. Doch das Polster brannte, in dem Blumenkranz war eine Wespe verborgen, und der Wein schmeckte bitter. Ihre Versprechungen sind hohl, ihre Gelübde sind falsch – dies alles weiß ich und sehe ich.«
    Erstaunt blickte ich ihn an.
    »Es ist seltsam«, fuhr er fort, »dass ich, während ich Rosamond Oliver so grenzenlos, so wild und mit der ganzen Glut einer ersten Leidenschaft liebe, deren Gegenstand so unendlich schön, anmutig und bezaubernd ist – dass ich dennoch zu gleicher Zeit das ruhige, klare Bewusstseinhege, dass sie mir keine gute Gattin sein würde; dass sie nicht die Lebensgefährtin ist, welche zu mir passt; dass ich dies schon innerhalb eines Jahres nach unserer Heirat empfinden würde und dass auf die Seligkeit eines einzigen Jahres das Elend und die Reue eines ganzen langen Lebens folgen würden. Dies weiß ich.«
    »Seltsam, in der Tat!«, konnte ich nicht umhin zu entgegnen.
    »Während etwas in mir krankhaft empfänglich für ihre Reize und Vorzüge ist«, fuhr er fort, »so ist ein anderes Etwas ebenso tief verletzt durch ihre Mängel und Fehler. Und diese Letzteren sind derart, dass sie in allem, was ich anstrebe, nicht mit mir übereinstimmen könnte – mir in keiner Sache, die ich unternähme, zur Seite stehen würde. Rosamond eine Dulderin, eine Arbeiterin, ein weiblicher Apostel? Rosamond, die Frau eines Missionars? Nein!«
    »Aber Sie müssen doch nicht Missionar werden! Sie könnten diesen Plan dann aufgeben.«
    »Aufgeben! Was? Meinen Beruf? Mein großes Werk? Den Grundstein, welchen ich auf Erden für eine Wohnung im Himmel legen will? Meine Hoffnung, einst zu der Zahl derer gerechnet zu werden, welche allen Ehrgeiz von sich gestreift haben, um des größeren Zieles willen, das Menschengeschlecht besser gemacht, Kenntnisse und Belehrung in das Reich der Unwissenheit getragen zu haben? Frieden an die Stelle des Krieges gestellt, Freiheit für Knechtschaft, Religion für Aberglauben, die Hoffnung auf das ewige Leben für die Furcht der Hölle eingetauscht zu haben? Das soll ich aufgeben? Es ist mir teurer als das Blut in meinen Adern. Es ist das, worauf ich hoffe,

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