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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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annehmen kann.«
    »Oh! Wenn es nur die Aufrichtigkeit und Dauer meines Willens ist, die Sie bezweifeln, so bin ich ruhig. Sehen Sie denn wenigstens die Gerechtigkeit der Sache ein?«
    »Ja, eine
gewisse
Gerechtigkeit erkenne ich an, doch läuft sie jedem hergebrachten Brauch entgegen. Sie haben immerhin einen Anspruch auf das ganze Vermögen. MeinOnkel erwarb es durch seine eigenen Anstrengungen, und es stand ihm frei, es zu hinterlassen, wem er wollte: Er hinterließ es Ihnen. Und schließlich erlaubt das Gesetz Ihnen, es zu behalten. Mit reinem Gewissen können Sie es als Ihnen gehörig betrachten.«
    »Bei mir ist es ebenso gut eine Sache des Gewissens wie des Gefühls«, sagte ich. »Und ich muss nach meinem Gefühl handeln. Ich habe bis jetzt so selten Gelegenheit gehabt, das zu tun. Und wenn Sie während der Dauer eines ganzen Jahres mit mir stritten, mich ärgerten und mir widersprächen, so würde ich mir die selige Freude nicht versagen, die sich mir in dieser Stunde flüchtig offenbart hat – nämlich, eine große Verbindlichkeit teilweise abzahlen zu können und mir zugleich Freunde für das ganze Leben zu erringen.«
    »So denken Sie jetzt«, begann St. John erneut, »weil Sie nicht wissen, was es heißt, Reichtum zu besitzen und sich desselben zu erfreuen. Sie haben keinen Begriff von der Bedeutung, welche der Besitz von zwanzigtausend Pfund Ihnen verleihen würde, von der Stellung, welche Sie in der Gesellschaft einnehmen würden, von den Aussichten, welche sich Ihnen dadurch eröffnen; Sie können nicht …«
    »Und Sie«, unterbrach ich ihn, »können sich keinen Begriff machen von der Sehnsucht, welche ich nach schwesterlicher und brüderlicher Liebe empfinde. Ich hatte niemals eine Heimat, niemals Brüder oder Schwestern. Ich will und muss sie jetzt haben. Widerstrebt es Ihnen denn, mich aufzunehmen und anzuerkennen?«
    »Jane, ich will Ihnen ein Bruder sein. Und meine Schwestern werden Ihre Schwestern sein, auch ohne dass Sie uns das Opfer Ihrer gerechten Ansprüche bringen.«
    »Bruder? Ja, in der Entfernung von einigen Tausend Meilen! Schwestern? Ja, die ein Sklavenleben unter Fremden führen! Ich – reich, überschüttet mit Gold, das ich mir nicht erworben habe und das ich nicht verdiene! Und Sie allearm? Eine großartige Gleichheit und Brüderlichkeit wäre das! Welch eine enge Verbindung, welch innige Anhänglichkeit!«
    »Aber Jane, Ihre Sehnsucht nach Familienbanden und häuslichem Glück könnte doch in anderer Weise gestillt werden, als in jener, welche Sie im Sinne haben! Sie könnten sich doch verheiraten!«
    »Noch einmal Unsinn! Heiraten! Ich will nicht heiraten und werde niemals heiraten!«
    »Das ist zu viel gesagt. Solch gewagte Behauptungen sind ein Beweis der Erregung, in welcher Sie sich befinden.«
    »Es ist nicht zu viel gesagt. Ich weiß, was ich empfinde und wie sehr alles in mir dem bloßen Gedanken an eine Heirat widerstrebt. Niemand würde mich aus Liebe heiraten, und ich möchte nicht als reine Geldgelegenheit dastehen. Überdies will ich keinen fremden, mir unsympathischen Menschen, der ganz von mir verschieden ist. Ich will meine Anverwandten, mit denen ich jedes Gefühl gemeinsam habe. Sagen Sie noch einmal, dass Sie mein Bruder sein wollen! Als Sie jene Worte aussprachen, war ich zufrieden und glücklich; wiederholen Sie sie, wenn Sie können, wiederholen Sie sie aufrichtig!«
    »Ich glaube, dass ich es kann. Ich weiß, dass ich meine eigenen Schwestern stets geliebt habe, und ich weiß, worauf meine Liebe für sie gegründet ist – auf Achtung vor ihrem Wert und auf Bewunderung ihrer Eigenschaften und Talente. Auch Sie besitzen Gemüt, Herz und Grundsätze; Ihr Geschmack und Ihre Gewohnheiten gleichen denen Marys und Dianas; Ihre Gesellschaft ist mir stets angenehm, und in der Unterhaltung mit Ihnen habe ich schon seit langer Zeit einen wohltuenden Trost gefunden. Ich fühle, dass ich Ihnen leicht und gern einen Platz in meinem Herzen einräumen kann – Sie sind meine dritte und jüngste Schwester.«
    »Ich danke Ihnen! Für heute Abend bin ich damit zufrieden. Jetzt sollten Sie aber gehen, denn wenn Sie noch längerblieben, regten Sie mich vielleicht von Neuem durch Ihre misstrauischen Gewissensbisse auf.«
    »Und die Schule, Miss Eyre? Die wird jetzt doch vermutlich geschlossen werden müssen?«
    »Nein. Ich werde den Platz einer Lehrerin behalten und ausfüllen, bis Sie einen Ersatz für mich gefunden haben.«
    Er lächelte zustimmend. Dann drückten wir uns

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