Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
Vom Netzwerk:
war, aus dem die Natur ihre Heroen macht, christliche wie heidnische, ihre Gesetzgeber, ihre Staatsmänner, ihre Eroberer: ein festes Bollwerk, auf das man in großen Zeiten um großer Ideen willen bauen kann. Am häuslichen Herd aber glich er nur allzu oft einer schweren, kalten Säule, düster und am falschen Platz.
    ›Dieses Wohnzimmer ist nicht seine Sphäre‹, dachte ich, ›das Himalajagebirge, der afrikanische Busch, sogar die pestgeplagten, sumpfigen Küsten Guineas würden besser für ihn passen. Wohl mag er die Ruhe des Familienlebens scheuen, dies ist nicht sein Element. Hier stagnieren seine Fähigkeiten; sie können sich nicht entwickeln, keinen Nutzen bringen. In Kampf und Gefahr, wenn Mut gezeigt, Willensstärke geübt, Kraft gestählt werden kann – da wird er reden und handeln, als Anführer, als Erster! An diesem Herd jedoch wird ein frohsinniges Kind den Sieg über ihn davontragen. Er hat recht, wenn er den Beruf eines Missionars erwählt – jetzt sehe ich es ein!‹
    »Sie kommen! Sie kommen!«, rief Hannah und riss die Tür des Wohnzimmers auf. Im selben Augenblick begann auch der alte Carlo freudig zu bellen. Ich lief hinaus. Jetzt war es dunkel geworden, aber deutlich vernahm man das Rollen der Räder. Hannah hatte schnell eine Laterne angezündet. DerWagen hielt vor dem Gittertor und der Kutscher öffnete die Tür: Jetzt stieg die eine der wohlbekannten Gestalten heraus, darauf die zweite. Im nächsten Augenblick war mein Gesicht unter ihren Hüten, zuerst in Kontakt mit Marys weicher Wange, dann mit Dianas reichen Locken. Sie lachten und küssten mich, dann Hannah; sie streichelten Carlo, der fast wild vor Freude war, fragten eifrig, ob alles wohl und in Ordnung sei, und als wir ihre Frage bejahten, eilten sie ins Haus.
    Sie waren ganz steif von der langen Fahrt auf dem schlechten Weg von Whitcross, ihre Glieder waren in der eisigen Nachtluft fast erstarrt, aber ihre schönen Gesichter tauten vor dem lustig flackernden Kaminfeuer zusehends auf. Während der Kutscher und Hannah die Koffer hereinbrachten, fragten sie nach St. John. In diesem Augenblick trat er aus dem Wohnzimmer, und beide umarmten ihn zugleich. Er gab jeder einen ruhigen, leidenschaftslosen Kuss, sprach einige leise Worte des Willkommens, unterhielt sich einen kurzen Augenblick und zog sich dann von Neuem in das Wohnzimmer wie in einen Zufluchtsort zurück, nachdem er die Schwestern ermuntert hatte, ihn dort bald aufzusuchen.
    Ich hatte die Kerzen angezündet, um beide nach oben zu geleiten, aber Diana musste vorher noch einige Anweisungen zur Bewirtung des Kutschers geben. Nachdem dies geschehen war, folgten beide mir. Sie waren über die Neuerungen und Ausschmückungen ihrer Zimmer entzückt, über die neuen Vorhänge, die frischen Teppiche und die reich bemalten Porzellanvasen. Ihre Freude kam von Herzen. Ich hatte die Genugtuung zu fühlen, dass meine Anordnungen ihren Wünschen vollkommen entsprachen, und dass alles, was ich getan hatte, ihnen zu ihrer Heimkehr noch eine zusätzliche Freude beschert hatte.
    Es war ein wundervoller Abend. Meine Cousinen waren in ihrer freudig erregten Stimmung so beredt in ihren Erzählungen und Fragen, dass St. Johns Schweigsamkeit dadurch vollkommen verdeckt wurde. Er war aufrichtig froh,seine Schwestern zu sehen, aber er konnte mit ihrer wortreichen Freude, ihrer glühenden Beredsamkeit nicht umgehen. Die Begebenheit des Tages – Dianas und Marys Heimkehr – machte ihn froh, aber das, was diese Begebenheit im Gefolge hatte, der fröhliche Tumult, die wortreiche Freude, das verdross ihn. Ich sah ihm an, wie sehr er den ruhigeren nächsten Morgen herbeiwünschte. Auf dem Höhepunkt der Glückseligkeit dieses Abends, ungefähr eine Stunde nach dem Tee, vernahmen wir plötzlich ein Klopfen an der Tür. Hannah trat mit der Nachricht ein, dass ein armer Junge zu dieser ungewöhnlichen Zeit gekommen sei, um Mr. Rivers zu seiner kranken Mutter zu holen, mit welcher es schnell zu Ende gehe.
    »Wo wohnt sie denn, Hannah?«
    »Ganz oben in Whitcross, beinahe vier Meilen weit; und den ganzen Weg nichts als Moor und Moos.«
    »Sag ihm, dass ich komme.«
    »Ach Herr, es wäre besser, wenn Sie nicht gingen. Es gibt keinen Weg, der bei Nacht schlimmer und gefährlicher ist; es führt ja gar kein Fußpfad durch den Schlamm! Und dann ist die Nacht so kalt; der schärfste Wind, der je geweht hat. Sie sollten doch lieber sagen lassen, Herr, dass Sie zeitig morgen früh kommen wollen.«
    Aber er war

Weitere Kostenlose Bücher