Jane Reloaded - Roman
und wie lange dauert die Fahrt?«
Mein Gegenüber schaute sich kurz um, legte einen Zeigefinger auf die Lippen und wiegte seinen runden, etwas zu kleinen Kopf zwischen den massigen Schultern. Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, die Leute in unserer Nähe wären zusammen mit Kasit verstummt und würden wie er mit ihren Köpfen wackeln. Alle schienen mich anzustarren und zu tuscheln. Vielleicht weil ich auffiel, denn ich war weit und breit die Einzige mit blonden, kurzen Haaren und heller Haut. Doch dann schwoll der thaimylanische Singsang wieder an, begleitet von den härteren Global-Lauten, als ob nichts gewesen wäre. Ich schob es auf den Jetlag, dass ich wie neben mir stand und fast schon halluzinierte. Einige Zeit später sollte ich jedoch erfahren, dass mich mein Gefühl wohl nicht getäuscht hatte. Das Wort Laos-Labor laut auszusprechen bedeutet hier Unglück und ich war einfach zu laut gewesen.
Kasit hatte das Schild unter den Arm geklemmt und griff wortlos nach meinen zwei Koffern. Für einen so korpulenten Mann trippelte er überraschend schnell und leichtfüßig mit meinem Gepäck Richtung Ausgang. Ich musste mich beeilen, ihm zu folgen.
Während der Autofahrt schwieg er weiter. Keine meiner Fragen – nach der Familie, seinem Alter oder dem Heimatort – entlockten ihm mehr als dieses komische Kopfwiegen. Mir blieb nichts anderes übrig, als stumm aus dem Fenster zu starren. Langweilige Häuser und viele Autos zogen vorbei, ein paar Reisfelder und zwei Wasserbüffel. Die bizarre Ruine eines dieser berühmten alten chinesischen Spielkasinos, die aus der Mode gekommen waren, war noch das Aufregendste. Große Baumwurzeln hatten den Beton gesprengt, Flechten und Moose überwucherten bunte Reklameschilder aus Plastik.
Ich wurde wieder etwas wacher, als Kasit das Auto endlich über eine ziemlich neue metallene Brücke auf die andere, die östliche Seite des Mekong steuerte. Jetzt waren wir im ehemaligen Laos, denn der Fluss war früher die Grenze zu Thailand gewesen. Die Pfosten eines Holzzauns, der neben dem Weg auftauchte, bestanden aus rostigen länglichen Raketenhülsen und das Haus daneben ruhte auf bauchigen Metallstützen aus Bombenteilen – die letzten Überreste eines fast vergessenen Krieges, die als Baumaterial die Zeit überdauert hatte.
Umhüllt von dem stetigen Surren der Klimaanlage schlief ich auf dem Rücksitz ein, doch schon nach kurzer Zeit wachte ich durch heftiges Geruckel wieder auf. Aus der Asphaltstraße war ein Schotterweg geworden. Ich fühlte mich total zerschlagen, das T-Shirt klebte an meiner Haut, trotz der Klimaanlage war ich völlig durchgeschwitzt. Der Schlafgeschmack im Mund ließ sich nicht mit Spucke hinunterschlucken.
»Unter Ihrem Sitz in der Kühltasche finden Sie Wasser, Miss Jane!« Als ob er meine Gedanken erraten könnte, zeigte Kasit mit der rechten Hand nach hinten, dann auf das Fenster am Beifahrersitz: »Der Mekong, schauen Sie, die Mutter aller Wasser.«
Er sprach wieder mit mir, stellte ich erleichtert fest. Ich angelte mir eine Wasserflasche aus dem Behälter und trank gierig, dann erst betrachtete ich den Fluss.
Das milchkaffeebraune Wasser sah weich, warm und einladend aus, träge und freundlich. Doch als plötzlich schwarz glänzende Felsen aus dem Flussbett ragten, bildete der breite Strom wilde Wirbel und kurze, hohe Wellen, die an den lehmigen Steilufern rissen und zerrten. Ungeduldig und bedrohlich wirkte der Mekong jetzt. Auf dem gegenüberliegenden Steilufer tauchte ein Tempel auf, bunte Fahnen flatterten neben einer steilen Treppe, auf der orangefarbene Tupfer nach oben und unten wanderten, wahrscheinlich Mönche und Pilger.
Als ich Kasit bat, anzuhalten, weil ich mir das genauer ansehen und mir auch ein wenig die Füße vertreten wollte, schimpfte er, das sei verboten, um dann erneut zu verstummen. Zum ersten Mal fühlte ich mich eingesperrt und unwohl. Ich drückte mehrmals auf die Verschlussknöpfe an der Tür, aber die Fenster ließen sich nicht öffnen.
»Wegen der Klimaanlage«, brummte Kasit.
Der Bambus, die fremdartigen Bäume und Sträucher und dazwischen einzelne ärmliche Stelzenhäuser auf dem gegenüberliegenden Ufer sahen verzerrt aus, als ob eine monströse Glaswand meine Seite von der anderen trennen würde.
»Sehen Sie das auch?«, fragte ich Kasit und deutete nach draußen.
»Das ist nur eine Luftspiegelung«, lachte er, »vielleicht auch eine Nebelbank.«
Von wegen Nebel, wohl eher eine Jetlag-induzierte Verkennung,
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