Jane Reloaded - Roman
Konstruktion, so wunderbar sie auch aussah, fand ich plötzlich zu bemüht und total unpassend für einen Zukunftsort, wie dieses Laos-Labor einer war.
Neben dem Weg war inzwischen Gregors Team aufmarschiert. Alle applaudierten, als er nun offiziell die Paläoanthropologin Tanja Jane Clark, Spezialgebiet hominide Sprache, begrüßte und als seine Tochter aus Frankfurt vorstellte.
»Wir freuen uns! Herzlich willkommen, Miss Klark!« Die rothaarige Amerikanerin Rita Norton, die er als seine Vertreterin bezeichnet hatte, hielt wie Kasit am Flughafen ihre zusammengelegten Hände zum Gruß vor die Brust und verbeugte sich leicht.
»Nennen Sie mich einfach Jane, nur Jane, bitte«, bat ich gleich die ganze Runde.
Mein Vater runzelte die Stirn, dann begann er alle einzeln vorzustellen. Ich konnte mir keinen Namen merken, deshalb zählte ich einfach mit. Die Vorletzte, Nummer 14, war eine junge Frau, die mir eine Kette aus weißen und dunkellilafarbenen Blüten um den Hals legte. Ein Körbchen, in dem auf glänzenden, grünen Blättern eine kleine, klebrige Bananenstaude lag, überreichte mir die letzte Mitarbeiterin in der Reihe mit den Worten: »Im alten Laos sagte man: Die Banane ist die erste Pflanze, die wir gegessen haben, und es wird die letzte sein.«
Während sie sprach, hielt ich ihr Geschenk mit beiden Händen und schnupperte an den überreifen Früchten. Der schwere, süße Geruch und das Sprichwort verbanden sich zu einer Erinnerung, die mich mein Leben lang begleiten sollte.
Danach ging ich hinter Gregor auf das Eingangstor zu. An den Seitenpfosten pappten kleine weiße Kügelchen. Ich schaute verwundert. »Das ist Klebreis, eine traditionelle Opfergabe für Götter und Naturgeister«, erklärte er. »Er stört uns nicht, und vielleicht hilft’s sogar, wer weiß. Du kannst das Bananenkörbchen gerne dazustellen.« Ich schüttelte den Kopf, ich wollte das Willkommensgeschenk lieber bei mir behalten.
Ich betrachtete die imposante Holzkonstruktion des Tors nun genauer und stutzte, glaubte zuerst nicht, was ich sah, und trat deshalb noch näher heran. Kein Zweifel, ich hatte mich nicht getäuscht! Alle geschnitzten Ornamente zeigten den berühmten Doppelstrang, die Doppelhelix. Die vier Basen in den Verflechtungen waren mit roten, grünen, blauen und gelben Glassteinchen besetzt, die in der Sonne funkelten.
Mein Vater deutete mit einer ausladenden Armbewegung auf die Giebelfläche, in die ebenfalls Spiegelchen eingelassen waren. »Meine Idee«, sagte er.
Ich ging zwei Schritte zurück, um besser nach oben sehen zu können. Aus der Ferne hatte das Muster abstrakt und altertümlich gewirkt, jetzt verwandelte es sich vor meinen Augen in Worte, die ich nur zu gut kannte. Die Überschrift reichte, um zu wissen, was folgen würde.
Meine Mutter hatte das Global-Gebet zuerst belacht und dann als echte Evolutionskonservative, die sie war, regelrecht gehasst. »Das ist eine Lizenz, um alles zu rechtfertigen«, hatte sie immer wieder kritisiert. »Fortschrittsglaube kann so schlimm sein wie mittelalterlicher Aberglaube, wahnhaft und tödlich!« Ich hatte mich an der Universität weder für dieses Gebet starkgemacht noch dagegen gewettert. Nur die fast religiöse Verehrung für diesen Mann, Craig Venter, und ebenso für den zweiten modernen Wissenschaftsheiligen, Charles Darwin, den Begründer der Evolutionslehre, hielt ich für total überzogen. Besonders seit ihre Geburtstage in Europa und den USA auch noch zu offiziellen Feiertagen erklärt worden waren. Am 12. Februar wurde seit einigen Jahren der International Darwin Day begangen und neun Monate später, am 14. Oktober, das Venter Festival groß gefeiert. Aber hier in dieser Umgebung, im Laos-Labor, entfaltete dieses Bekenntnis eine ganz andere Wirkung auf mich als zu Hause.
Das Gebet an Venter
Venter unser im Himmel,
geehrt werde dein Name.
Dein Gen-Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Labor so auf der ganzen Erde.
Unseren täglichen Fortschritt gib uns heute.
Und vergib uns unsere Natur,
wie auch wir vergeben den Zauderern.
Und führe uns aus der Vergangenheit
und erlöse uns von dem Erbe.
Denn reich ist das Gen
und die Kraft und Herrlichkeit
der Evolution in Ewigkeit.
Als ich die komplette Inschrift gelesen hatte, spürte ich, wie viel von diesem wissenschaftlichen Pioniergeist in mir steckte. Ich war an meinem Sehnsuchtsort, dem Heim des neuen Homo erectus, angekommen, und hier galt es tatsächlich, nicht länger zu zaudern, sondern zu handeln, um
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