Jane Reloaded - Roman
DNA-Schnipseln. Einen Frühmenschen erleben, beobachten, anfassen können.« Ich spürte, dass sie sich nur zu gerne von meiner Begeisterung anstecken ließ.
»Wenn ich nicht schon zweiundsiebzig wäre, würde ich noch einmal mitkommen«, gestand sie mir. »Aber jetzt lasse ich der Jugend den Vortritt! Es ist immer gut, einen neuen frischen Blick auf alles zu haben. Ganz unbeeinflusst von uns Alten.«
Da hatte sie recht und ich strahlte sie an: »Ich werde dich und Gregor nicht enttäuschen und Augen und Ohren weit aufmachen! Unfassbar!« Ich lachte plötzlich laut. »Bald werde ich alle Theorien am lebendigen Objekt überprüfen können, davon habe ich immer geträumt!«
»Davon träumen alle in unserer Zunft«, erwiderte sie, »aber nur wenige wagen es.«
»Wie können sie auch, wenn es geheim ist?«
Meine Großmutter verwendete wieder diese kryptische Formulierung: »Es ist nicht geheim, sondern besonders. Das ist wichtig. Auf jeden Fall bin ich stolz auf dich, Jane Nummer fünf! Die Menschen sind viel weniger mutig, als du denkst.«
»Theorien am lebendigen Objekt zu überprüfen, was ist daran mutig? Und Gregor passt doch sicher auf seine Tochter auf!«
»Vielleicht ist es anders, als du denkst. ADAM verlangt viel.«
»Um unseren Ahnen von Gleich zu Gleich zu begegnen, kann ADAM jeden Preis von mir verlangen.«
»Nimm den Mund nicht ganz so voll, Tanja Jane. Das Laos-Labor wird dich verändern.«
»Das hoffe ich doch.«
Vier Wochen dauerten meine Vorbereitungen für die Reise. Mein Vater hatte schneller zugestimmt als erwartet. Meine Mutter, die nach unserem Dreier-Treffen schon geahnt hatte, dass ich fahren würde, überraschte mich. Sie machte mir keine Vorwürfe, sondern erklärte: »Ich weiß, dass ich dich nicht aufhalten kann, Tanja Jane. Aber komm bald zurück und dann, wirklich erst dann, lass uns über alles reden.« Sie beriet mich bei der Auswahl der richtigen Kleidung für die Tropen und lieh mir ihre große Reisetasche und einen Koffer. Selbst als ich mir ein paar Tage vor der Abreise die Haare kurz schneiden und heller tönen ließ, sagte sie nichts. Ganz offensichtlich war sie traurig, dass ich für längere Zeit wegfuhr.
Meine Großmutter weigerte sich, sosehr ich sie auch drängte, mir Einzelheiten aus dem Laos-Labor zu erzählen. »Einmal sehen ist besser als tausendmal hören«, sagte sie.
Wir redeten jedoch viel darüber, warum der Homo erectus auf der Wiederbelebungswunschliste der Paläogenetiker schon lange ganz oben gestanden hatte, und die Antwort ließ mich der Reise umso mehr entgegenfiebern.
Homo erectus war das erste eindeutige Mitglied der modernen »Familie Mensch« und vielleicht der erfolgreichste Frühmensch überhaupt. Schließlich hatte er es auf dieser Erde 25-mal länger als der Neandertaler ausgehalten, über eineinhalb Millionen Jahre. Eine so lange Zeit durchmessen konnte nur, wer sich entwickelte, anpasste und lernte. Am Ende hatte er auch das Feuer gezähmt.
»Was aber hat ihn zum Überlebenskünstler auf diesem Planeten gemacht, und hat das etwas mit seiner genetischen Ausstattung zu tun? Was können wir von ihm lernen?« Diese wirklich große Frage gab Jane III mir mit auf den Weg.
Ende Oktober fuhr ich allein zum Flughafen. Ich hatte darauf bestanden, mich am Tag zuvor von meiner Großmutter und meiner Mutter einzeln zu verabschieden. In Frankfurt stieg ich in mein Flugzeug und flog gen Osten. Mit einem One-Way-Ticket, weil ich überzeugt war, dass ich die dreiwöchige Probezeit, die Gregor verlangt hatte, gut bestehen würde.
Im Terminal des Golden-Triangle-Flughafens wartete, wie von meinem Vater angekündigt, ein Fahrer auf mich. Ein braunhäutiger Mann hielt ein Schild hoch mit der Aufschrift »Willkommen Tanja J. Klark«. Als ich erleichtert auf ihn zuging, faltete er seine Hände vor der Brust und verneigte sich. »Miss Klark?«, fragte er, und als ich nickte, stellte er sich als Kasit Bunang vor und hieß mich in gutem und verständlichem Global wortreich willkommen. Wieder einmal fand ich es wunderbar, dass diese Mischung aus Spanisch, Chinesisch und Englisch inzwischen überall auf der Welt neben den Nationalsprachen gelehrt wurde und die Menschheit tatsächlich in einer Sprache kommunizieren konnte. Wie sonst hätte ich mich hier verständlich machen können?
Ich tippte auf das J mit dem Punkt dahinter und bat Kasit, mich einfach nur Jane zu nennen. Und dann fragte ich ihn sofort nach dem Wichtigsten: »Wie weit ist es bis ins Laos-Labor
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