Januarfluss
die Tür « , sagt eine Frau, die hinter ihm am Fenster erscheint. » Die sieht ja nicht gerade aus wie eine Diebin oder Schlimmeres. «
» Geh du doch. «
Kurz darauf erscheint die Frau an der Haustür. Sie ist klein, rundlich und proper.
» Entschuldigen Sie meinen Mann, er meint es nicht so. Also, womit kann ich dienen? «
Ich seufze innerlich. Eigentlich wollte ich so unauffällig wie möglich bleiben. Dass diese Nachbarn so einen Wirbel um mich und mein harmloses Ansinnen machen, passt mir gar nicht. Warum haben so viele Menschen Spaà daran, ihre Nase in anderer Leute Angelegenheiten zu stecken?
» Nun ja, wie ich schon sagte: Ich würde gern Senhorita Aldemira besuchen. Wenn Sie so freundlich wären, mir zu sagen, wann sie üblicherweise zurückkommt� «
» Sie arbeitet in dem Kaufmannsladen unten an der Rua Riachuelo und der hat schon geschlossen. Es ist Samstag, da geht Aldemira nach der Arbeit vielleicht direkt zum Tanzvergnügen? Ich weià es wirklich nicht. Aber Sie können gern eine Nachricht für sie hinterlassen, ich kenne sie recht gut. «
» Nein, vielen Dank, Senhora. Ich denke, ich versuche es einfach später noch einmal. Auf Wiedersehen. «
Die gute Frau schaut mir noch beleidigt nach, als ich mich mitten auf der StraÃe umdrehe und frage: » Wo ist denn das Tanzvergnügen? «
Sie erklärt es mir und ich mache mich in trübsinniger Stimmung auf den Weg dorthin. Meine schlimmsten Befürchtungen werden sich bewahrheiten, da bin ich fast sicher: Aldemira ist bestimmt eine schöne junge Frau, selbstständig und selbstbewusst, eine begnadete Tänzerin und von den Burschen heià umworben. Ich sehe sie schon vor mir, wie sie ihre schwarze Lockenmähne neckisch über die Schulter wirft, wie sie ihre Beine beim Tanz ein wenig zu hoch schwingt und wie sie ihre prallen Brüste in einem etwas zu engen Mieder zur Schau stellt. Sie ist die Sorte Frau, mit der ich niemals werde konkurrieren können, weil mir diese Koketterie fehlt, diese Begabung zur Leichtigkeit im Umgang mit dem anderen Geschlecht.
Als ich an der praça, dem Platz, ankomme, wo der samstägliche Tanz stattfindet, sind die Helfer noch dabei, die Holzbühne für die Musiker zusammenzuzimmern. Eine Schänke hat in Erwartung der Gäste schon Stühle nach drauÃen gestellt, die rund um ein paar Fässer gruppiert sind, die als Tische dienen sollen. AuÃer denen, die hier arbeiten, sind aber noch keine Leute zu sehen. Und schon gar keine hübschen Mädchen oder Frauen. Umso mehr falle ich hier auf. Ich bin mir meines Beutels und seines Inhaltes schmerzlich bewusst. Wenn mich jetzt jemand beraubt, habe ich ganz schlechte Karten.
Aber niemand will mir Böses. Im Gegenteil: Die Wirtin der Schänke stellt mir, als ich mich ermattet auf einen der Stühle sinken lasse, ungefragt eine pinga vor die Nase. » Geht aufs Haus. Der erste Gast bringt immer Glück. «
Ich trinke den Schnaps und muss danach die Tränen wegblinzeln, die mir das scharfe Zeug in die Augen getrieben hat. Unter den Augen der freundlichen Wirtin fühle ich mich sicher genug, um etwas Geld aus meinem Beutel hervorzukramen. Ich winke sie herbei, gebe ihr einen Schein und bestelle etwas zu essen sowie einen Kaffee. Ich muss heute bestimmt ein wenig länger als geplant durchhalten.
» Heute gibt es feijoada « , sagt die Frau trotzig.
Sklavenkost. Warum nicht? Ich bin so hungrig, dass mir der Schwarze-Bohnen-Eintopf wahrscheinlich schmecken wird. Ich nicke und befriedigt zieht sie von dannen. Vielleicht verschafft es ihr irgendeine Art von Genugtuung, wenn sie feine weiÃe Senhoritas diesen Fraà essen sieht.
Aber ich habe mich getäuscht: Das Essen ist köstlich und ich lange tüchtig zu. Zu dem Eintopf werden Reis, Grünkohl, Orangenscheiben und farofa, mit Ei gebratenes Maniokmehl, gereicht. In der braunen Bohnensuppe schwimmen, anders als ich befürchtet hatte, keine SchweinefüÃe oder sonstige eklige Fleischstücke, sondern appetitliche Würste und Speckscheiben. Vermutlich habe ich der Frau viel zu viel Geld gegeben, und der Dank für meine GroÃzügigkeit ist, dass sie mir die Leckerbissen aus dem Topf gefischt hat. Ich esse, bis ich kurz vorm Platzen bin. Nachdem die Wirtin abgeräumt hat, stellt sie mir ein weiteres Schnapsglas hin: » Das hilft. « Wobei, das verrät sie mir nicht.
Mittlerweile
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