Januarfluss
nämlich so sein, dann muss ich Ihnen gestehen, dass ich dieses Geld an mich genommen habe. Nach allem, was ich hier heute beobachtet habe, bereue ich es nicht einmal. Und ausgepeitscht haben Sie mich ja bereits dafür. «
Dann gehe ich mit allem Stolz, der noch in mir steckt, zu dem Gerüst, an dem der Butler hängt, alle viere von sich gestreckt. Zwei junge Burschen, die in der Zuschauerreihe am nächsten stehen, fordere ich auf: » Bindet ihn los! «
Die beiden bleiben, wo sie sind. Sie haben eine riesige Furcht vor ihrem Herrn.
» Na schön, dann mache ich es eben selbst. « Doch ich muss feststellen, dass diese Aufgabe schwieriger ist, als ich dachte. Die Knoten sind sehr fest, am besten würde man die Seile mit einer Machete oder einem anderen scharfen Gegenstand kappen, den ich natürlich nicht habe. AuÃerdem ist der Anblick des Ausgepeitschten aus der Nähe so schrecklich, dass mir flau wird. Der Geruch nach Kot, Urin und AngstschweiÃ, den er verströmt, tut ein Ãbriges. Der mordomo, noch vor Kurzem ein würdevoller, strenger, distinguierter Mann, ist zu einem stinkenden Stück Fleisch verkommen. Es treibt mir die Tränen in die Augen.
» Aus! « , brüllt der Schuft, als sei ich ein Hund, dem man kurze, prägnante Kommandos geben muss, damit er spurt. Er lässt die Peitsche ganz dicht vor meinem Gesicht niederknallen, sodass ich zurückweichen muss.
» Zurück! «
Notgedrungen folge ich dem Befehl. Es ist erstaunlich, wie ein grausamer Mann mit einer Peitsche, der zu allem bereit ist, einen zu Dingen zwingen kann, die man eigentlich gar nicht tun will. Mein Mut ist diesem brutalen Sklavenschinder nicht gewachsen.
» Ins Haus, sofort! «
Ich gehe. Ich kann hier nichts mehr ausrichten. Wenn es diesem Schuft so gefällt, wird er den Butler auspeitschen, ob ich mich nun dazwischenwerfe oder nicht, ob mit oder ohne guten Grund.
Noch während ich die Treppenstufen hinaufsteige, höre ich Fernando schreien: » Du hast deine Anweisungen nicht befolgt! Du hättest sie keine Sekunde aus den Augen lassen dürfen. « Und zisch! Abermals knallt die Peitsche auf den Rücken des armen Mannes niederâ und ich allein trage daran die Schuld.
Ich renne auf mein Zimmer, tränenüberströmt. Dass Fernando zu solchen Grausamkeiten fähig ist, disqualifiziert ihn endgültig als Bräutigam. Ich könnte jetzt nach Hause reiten, meinen Eltern von diesem abstoÃenden Spektakel berichten und sie zur Not, sollten sie mir keinen Glauben schenken, hierherbringen, damit sie sich mit eigenen Augen überzeugen können. Ein Blick auf den Rücken des Butlers würde genügen.
Doch ich entscheide mich für einen anderen Weg. Ein Paar bernsteinfarbene Augen, die mich hoffnungsvoll und voller Tatendurst anschauen, aus denen der Glaube an eine gute Sache spricht und vielleicht noch ein bisschen mehr, sind es wert, dass ich jetzt noch nicht aufgebe. Auch wenn ich unmöglich länger auf Bela Vista bleiben kannâ nach Hause kann ich auch noch nicht zurückkehren, bevor wir irgendetwas Sinnvolles bewerkstelligt haben. Lu und ich.
Ich ziehe mich aus und tupfe meine Schulter mit etwas Wasser aus der Waschschüssel ab. Die Verletzung ist nicht schlimm, im Grunde nur ein feiner Schnitt, der bereits aufgehört hat zu bluten. Dann ziehe ich mir das » neue « Kleid von Dona Margarita an und packe meine Sachen zusammen. Das gestohlene Geld werde ich dem Schuft auf keinen Fall zurückgeben, behalten will ich es jetzt aber auch nicht mehr, jedenfalls nicht alles. Eine geringfügige Summe muss ich aus praktischen Erwägungen einstecken, denn ganz ohne Bargeld ist das Ãberleben, wie ich inzwischen weiÃ, schwierig. Aber den GroÃteil davon lasse ich hier. Ich werde es irgendwo verstecken und dann Rosa einen Hinweis zukommen lassen, wo sie es finden kann. Sie hat bestimmt eine sinnvollere Verwendung dafür als ich.
Da kein Mensch im Haus istâ denn bestimmt tobt Fernando drauÃen noch immer seine brutalen Gelüste ausâ, kann ich ungestört Lärm machen, ohne dass es jemandem auffällt oder jemand nachsehen kommt, was es damit auf sich hat. Ich will die Frisierkommode ein Stück von der Wand abrücken, um besser an den Spiegelaufsatz heranzukommen, hinter dem ich das Geld verstecken werde. Die meisten Spiegel sind bei diesen Kommoden, das weià ich von zu Hause, auf der Rückseite
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