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Januarfluss

Januarfluss

Titel: Januarfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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selbst.

26
    Mein erster Weg führt mich zu meiner alten Adresse bei Angélica. Ich klopfe mehrmals an ihrer Tür, bevor ich den Ersatzschlüssel unter der losen Fensterbank des Treppenhausfensters hervorkrame. Wie erwartet, schläft Angélica tief und fest. Mit dem Lippenrot, das auf der Konsole liegt, male ich mir den Mund an und drücke einen dicken Kuss auf den fleckigen Spiegel. Dann gehe ich wieder, denn ich will mich hier nicht länger als nötig aufhalten.
    Ich steige die Treppe hinauf und klopfe bei den ausländischen Nachbarn. Als das Mädchen mich durch den Türspalt erspäht, will es die Tür gleich wieder vor meiner Nase zuschlagen. Ich habe so etwas geahnt und deshalb meinenFuß in den Rahmen gestellt– der nun übel gequetscht wird.
    Â» Hier, nimm das. Es ist vielleicht keine angemessene Entschädigung, aber besser als nichts. « Ich reiche ihr ein Bündel Geldscheine durch den Türspalt. Es sind nur fünf Mil-Réis, die Hälfte des gestohlenen Geldes, das ich für mich behalten habe. Für diese Familie reicht das aber wahrscheinlich, um eine Woche lang ordentlich zu essen.
    Â» Ja « , sagt sie, ihre Standardantwort auf alles.
    Â» Wie heißt du eigentlich? «
    Â» Melissa « , antwortet sie. » Gehen Sie jetzt, bitte. «
    Â» Ja « , erwidere nun ich. Was gibt es noch mehr dazu zu sagen?
    Ich verschwinde schnell wieder aus der Rua Formosa, denn in meiner jetzigen Kleidung sehe ich wie jemand aus, der hier absolut nichts verloren hat. Womöglich habe ich schon Diebe angelockt, die mich für leichte Beute halten.
    Es dauert nicht lang, bis ich in einer geschäftigeren Gegend angelangt bin, in der Eselsstraßenbahnen verkehren. Ich erkundige mich bei einer älteren Frau, die an einer Haltestelle steht, welche Linie mich nach Santa Teresa bringt. Die Dame weiß bestens Bescheid und erklärt mir sogar genau, wie ich in die Rua Monte Alegre komme.
    Weshalb die Straße » Lustiger Berg « heißt, ist nicht auf Anhieb zu begreifen. Sie windet sich zwar einen Berg hinauf, doch lustig scheint mir die Gegend nicht zu sein. Das Haus mit der Nummer15 ist ein zweigeschossiges gelbes Gebäude mit schmiedeeisernen Geländern vor den Fenstern. Es sieht vergleichsweise gepflegt aus– und unbewohnt. Die Fensterläden sind geschlossen, es hängt keine Wäsche auf den Leinen, die quer über die Straße von einem Haus zum nächsten gespannt sind.
    Ich bin enttäuscht und erleichtert zugleich. Einerseits ist es wichtig, dass ich diese Aldemira antreffe, um Lu über sie wissen zu lassen, wo er mich finden kann. Andererseits fürchte ich die Begegnung mit ihr. Das Mädchen, das Lu sich als Verlobte ausgeguckt hat, muss schon etwas Besonderes ein. Er wird ja keine Ehefrau haben wollen, die dümmer oder hässlicher als er ist. Umgekehrt spricht es auch für diese Aldemira, dass sie Lu auserwählt hat. Hinter der Fassade des ruppigen Gassenburschen einen jungen Mann zu erkennen, der klug und attraktiv ist, ist gar nicht so einfach. Ich hatte gedacht, ich wäre die Einzige, die das Juwel in dem unbehauenen Stein erkennen kann, aber wie es scheint, sind andere Mädchen auch nicht blind. Erst Angélica, jetzt Aldemira– wie viele Verehrerinnen hat er noch?
    Ich gebe mir einen Ruck und klopfe mit dem schweren Türklopfer aus Metall gegen die Holztür. Nichts tut sich. Ich versuche es ein weiteres Mal, obwohl ich gar nicht mehr daran glaube, dass noch jemand öffnet.
    Â» Wen suchen Sie denn, Senhorita? « , höre ich da eine männliche Stimme aus dem Haus gegenüber.
    Â» Ich möchte zu Senhorita Aldemira. «
    Â» Die ist nicht da. Kann ich was ausrichten? « Ein älterer Mann beugt sich aus dem Fenster im ersten Stock und mustert mich kritisch.
    Â» Nein, äh, ich weiß nicht « , stammele ich. » Wissen Sie, wann sie zurückkommt? «
    Â» Glauben Sie, ich hätte nichts Besseres zu tun, als meine Nachbarn auszuspionieren? «
    Um ehrlich zu sein, genau das glaube ich. Der Mann sieht aus wie einer, der zu faul zum Arbeiten ist, seine Frau mit seinen Sonderwünschen schikaniert und den halben Tag am Fenster hängt, um nur ja nichts von dem interessanteren Leben anderer Leute zu verpassen. Viel Zeit für seine eigene Körperhygiene bleibt ihm dabei jedenfalls nicht: Er ist unrasiert und trägt ein schmutziges Unterhemd.
    Â» Nun geh schon an

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