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Januarfluss

Januarfluss

Titel: Januarfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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halten, um es nicht laut herauszurufen. Wenigstens er scheint erkannt zu haben, dass ich kein Baby mehr bin.
    Â» Sieh sie dir an « , fährt er fort. » Sie ist zu einer jungen Schönheit herangereift, die allen Männern den Kopf verdreht, und zwar mit voller Absicht. Ich habe sie beobachtet, sie hat sehr offen mit Dom Fernando geflirtet. «
    Â» Ich glaube nicht « , entgegnet meine Mutter, » dass sie sich ihrer Wirkung auf das andere Geschlecht bereits in ganzem Ausmaß bewusst ist. «
    Ach nein? Und ob ich das bin!
    Â» Es schien mir vielmehr « , so meine Mutter weiter, » als spiele sie ein Spiel. Als erprobe sie sich, als lote sie aus, wie weit sie gehen kann und darf. Wir sollten ihr die Zeit geben, sich selbst sowie das Leben und die Männer besser kennenzulernen. «
    Â» Was soll das, Rosália? Du warst selbst erst siebzehn, als wir geheiratet haben. «
    Â» Ja, mein lieber Raimundo, aber das geschah ja auch unter völlig anderen Umständen, wenn du mir das Wortspiel erlaubst. Im Übrigen liegen zwischen fünfzehn und siebzehn immerhin zwei Jahre. «
    Â» Ach, papperlapapp, mit der Verlobungszeit und allem wird sie sechzehn sein, bis sie heiratet. Alt genug, wie ich finde. «
    Worüber sprachen die beiden da bloß? Wie kamen sie nur darauf, ich wolle heiraten?
    Â» Er erscheint mir ein wenig zu alt für sie « , warf meine Mutter ein.
    Â» Er ist neunundzwanzig Jahre alt, im besten Alter also für eine Vermählung. Er ist jung, von tadelloser Abstammung, sieht blendend aus und vor allem: Er ist so reich, dass all unsere Probleme auf einen Schlag gelöst wären, wenn er in unsere Familie einheiratet. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass Isabel ihn durchaus anziehend findet. «
    Oje. Mir dämmert allmählich, um wen es sich handelt. Ich muss verrückt gewesen sein, so deutlich mit ihm zu schäkern, dass sogar meine Eltern es gemerkt haben.
    Â» Ich weiß nicht, Raimundo. Ist das nicht alles ein wenig… übereilt? « , fragt meine Mutter.
    Â» Du weißt, wie es um unsere Finanzen bestellt ist, meine Liebe. Ich fürchte, Isabel wird im Februar nicht einmal zurück aufs Internat gehen können. «
    Verflucht, was reden die beiden da nur? Seit wann sind wir arm? Und wieso muss ich dafür büßen?
    Â» Sie wird auch nicht dorthin zurückgehen können, wenn wir Dom Fernandos Antrag zustimmen. «
    Â» Oh doch. Er hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass er nicht nur auf eine Mitgift verzichtet, sondern sogar noch bereit ist, uns ein zinsloses und unbefristetes Darlehen in beträchtlicher Höhe zu geben. Und zwar sofort. Damit wären unsere Sorgen Vergangenheit. «
    Â» Aber… «
    Welchen Einwand meine Mutter noch vorbringt, kann ich mir nicht mehr anhören. Am Ende des Flurs sehe ich Marias unverwechselbare Gestalt auftauchen, sodass ich schnell so tun muss, als sei ich auf dem Weg in mein Zimmer.
    Â» Sinhazinha « , sagt sie streng, » was machen Sie hier oben? Unten wird getanzt– und zwar Ihnen zu Ehren. «
    Â» Ja, ja, Maria, ich weiß. Ich wollte nur schnell etwas frischen Puder auftupfen. «
    Â» Na dann… « Sie wirkt nicht überzeugt, geht aber weiter. Wahrscheinlich richtet sie die Betten in den Gästezimmern.
    Erst als die Tür hinter mir ins Schloss fällt, gestatte ich mir, tief durchzuatmen. Das ist doch wohl die Höhe! Was ich da gerade mit anhören musste, ist das Niederträchtigste, Gemeinste und Schäbigste, was mir je untergekommen ist. Wie können sie es wagen, mich dem Erstbesten zur Frau zu geben, nur weil er reich ist? Wie können sie mich so billig verscherbeln? Und warum, zum Teufel, können sie mich nicht vorher fragen? Sie hätten mich zu diesem Gespräch dazubitten können, mir erklären können, warum eine Heirat mit Dom Fernando ihnen als der beste Weg erscheint. Aber nein: Sie verfügen über mich, meine Zukunft und mein Lebensglück, als sei ich ein… Haustier.
    Mich ihnen zu widersetzen würde vermutlich herzlich wenig bewirken. Bei der Hochzeit einer Bekannten aus Kindheitstagen, Amélia, habe ich gesehen, wie so eine Zwangshochzeit vonstattengeht. Amélia hat auf die Frage des Padre, ob sie den Mann zum Gemahl nehmen wolle, Nein gesagt. Es haben nur die Leute gehört, die in den ersten Reihen saßen, darunter auch ich, doch es war eindeutig ein Nein. Der Padre ließ sich

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