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Januarfluss

Januarfluss

Titel: Januarfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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und verlasse mein Fest– hellwach und mit heftigem Herzklopfen.
    Der Anfang ist gemacht. Bis zum späten Vormittag wird mich niemand vermissen: Ich habe fast zwölf Stunden Zeit, um zu verschwinden.
    Zunächst schleiche ich mich in die Unterkunft der Haussklaven. Die sind in diesem Augenblick alle auf dem Fest beschäftigt, sei es mit Arbeit, sei es beim Glotzen oder Stibitzen von Essensresten. So eine Gelegenheit bietet sich ihnen schließlich nicht alle Tage, sie werden sich samt und sonders im Herrenhaus herumdrücken. Genauso ist es auch. Ich stöbere ein wenig in ihren Sachen, bis ich schließlich finde, was ich gesucht habe: eine einfache Leinenhose, ein abgewetztes Hemd, ausgetretene Sandalen, einen zerknautschten und zerfaserten Strohhut. Ich schätze, diese Sachen gehören einem der Stallburschen, denn die wohnen ebenfalls hier und nicht in der senzala der Feldsklaven.
    Mit sehr schlechtem Gewissen rolle ich die Sandalen in die Kleider und packe mir das Bündel unter den Arm.
    Aber wie gelange ich jetzt ungesehen mit meiner Beute zurück auf mein Zimmer? Ich beschließe, es durch den Hintereingang zu versuchen. Bei schönem Wetter wären überall im Haus und darum herum Menschen, doch– wer hätte gedacht, dass ich dies für ein Glück halten würde?– es regnet noch immer in Strömen. Kaum bin ich in den hinteren Hausflur getreten, schnappe ich mir eines der Regencapes, die dort an einer Hakenleiste hängen, und wickele mein Kleiderbündel hinein. Es erregt weniger Verdacht, ein eigenes Cape mit sich herumzutragen, als ein Bündel schlammfarbener Sklavenkleidung. Doch bisher ist mir noch keine Menschenseele begegnet.
    Nun nehme ich die Hintertreppe hinauf zur ersten Etage. Dieser Aufgang ist für die Dienstboten bestimmt, denn sie sollen ja nicht mit Eimer und Putzlappen die Haupttreppe mit ihrem Anblick verunstalten, wenn sie die oberen Räume sauber machen. Außerdem führt diese Hintertreppe hinauf zu den Kammern jener Haussklaven, die sich in vielen Jahren das Privileg erarbeitet haben, in der casa grande, im Herrenhaus, zu wohnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass mir hier jemand begegnet, ist gering.
    Erst wieder auf dem Flur, der zu meinem Schlafzimmer führt, wird es heikel. Ich weiß nicht, wer sich bereits von dem Fest zurückgezogen hat oder es jeden Moment zu tun beabsichtigt. Ich würde in ziemliche Erklärungsnot geraten, wenn man mir hier begegnete, durchnässt und mit sonderbaren Bündeln bepackt, wie ich bin.
    Aber das Glück bleibt mir hold. Ich erreiche mein Zimmer ungesehen. Die Uhr in ihrem rosa Marmorgehäuse, die auf meiner Kommode steht, zeigt mir, dass ich mich sputen muss: Es ist schon fast eins. Hastig entledige ich mich meiner festlichen Garderobe, die ich achtlos auf dem Fußboden liegen lasse. Naserümpfend steige ich in die, na ja, geborgten Sklavenkleider– gestohlen sind sie streng genommen ja nicht, da sie uns ebenso gehören wie der Sklave.
    Die Sachen sind mir zu groß. Ich krempele Hosenbeine und Ärmel hoch, die Hose schnüre ich mit der Kordel im Bund enger. Nun ja, so wird es gehen müssen. Besonderen Widerwillen verursachen mir die Sandalen, denn ich finde es unappetitlich, barfuß in Schuhwerk zu steigen, das vollgesogen sein muss mit dem Fußschweiß eines anderen. Außerdem fühle ich mich darin nackt, den lüsternen Blicken der Männer schutzlos preisgegeben.
    Ein zarter weißer Fuß, eine schmale Fessel, ein Knöchel oder gar eine Wade sind Körperteile, die eine Dame niemals in der Öffentlichkeit entblößen darf. Es ist in höchstem Maße unschicklich. Und da außer den Menschen in meinem allerengsten Umfeld– Maria, Alice, meine Eltern– nie jemand einen Blick auf meine Füße geworfen hat, geniere ich mich angesichts meines eigenen Spiegelbildes. Es ist schamlos, seine Füße so unverhüllt zu zeigen. Aber ich kann ja schlecht die Kleidung eines Sklavenjungen tragen und darunter vornehme Schnürstiefelchen aus weichem Ziegenleder.
    Da ich kein Gepäckstück in greifbarer Nähe habe und auch nicht unnötig riskieren will, auf der Suche nach einem gesehen zu werden, kippe ich meinen Handarbeitsbeutel aus und stopfe ein paar Dinge hinein: ein Paar Schuhe, Strümpfe, ein unscheinbares Kleid, Gustavos Brief natürlich und zu guter Letzt die Smaragdohrringe. Mehr passt nicht in den Beutel hinein.
    Das

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