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Januarfluss

Januarfluss

Titel: Januarfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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einen unbescholtenen Bürger auf diese demütigende Weise festzuhalten, während die wahren Bösewichter– dieses Diebespack und Lumpengesindel– mich auch noch auslachen dürfen. Verhaften Sie diesen Lump, der sich als Indio verkleidet hat, er sollte im Gefängnis sitzen, denn er hat mich erst gestern ausgeraubt. Und nehmen Sie auch dieses Mädchen hier in Gewahrsam « , dabei weist er mit dem Kinn auf mich, denn seine Hände sind ja gefesselt, » sie wird seit Wochen von ihren Eltern und von den Behörden gesucht. Sie ist eine Diebin und Betrügerin. «
    Alice, Lu, Aldemira und ich sehen uns reihum an und können nicht fassen, wie der Schuft sich wehrt und lügt, obwohl die Situation doch eindeutiger nicht sein könnte.
    Â» Ja « , sagt der Sergeant schwerfällig, » mag ja sein. Aber Sie haben die Pistole gezogen und auf die Senhorita gezielt. «
    Â» Sie wollte mich bestehlen! Es war reine Verteidigung, etwas, das eigentlich Männer wie Sie für uns brave Bürger tun sollten, dafür werden Sie schließlich bezahlt. «
    Â» Es sah aber nicht so aus, als wollte die Senhorita Ihnen etwas stehlen. Es sah eigentlich mehr danach aus, als wollten Sie sie unsittlich berühren. Da hat sie dann fliehen wollen. «
    Wir alle lauschen dem Wortwechsel gebannt. So langsam und gedehnt der Beamte auch spricht, dumm scheint er nicht zu sein. Er lässt sich von Fernando nicht aus der Ruhe bringen und er traut lieber seinen Augen als den Worten eines Verdächtigen. » Wir werden sämtlichen Anschuldigungen nachgehen, Senhor « , sagt er würdevoll. » Sie sowie die anderen Beteiligten werden auf der Wache Gelegenheit haben, Ihre Version der Geschehnisse zu Protokoll zu geben. Sie werden sehen– die Polizei des Kaiserreichs Brasilien ist hoch effizient und absolut unbestechlich « , behauptet er stocksteif und ohne jeden Anflug von Humor.
    Ausnahmsweise lachen wir alle darüber, auch Fernando.
    Â» Was soll hiermit passieren? « , fragt Alice und hält die Pistole hoch.
    Â» Um Gottes willen, Senhorita, fuchteln Sie doch nicht so mit der Waffe herum « , ruft der Polizist erschrocken aus. » Geben Sie sie mir– aber bitte mit dem Lauf nach unten und nicht auf meine Brust gerichtet. «
    Er sichert die Waffe und steckt sie ein. » Und nun darf ich Sie alle bitten, mich aufs Revier zu begleiten, wo Sie Ihre Aussagen machen müssen. «
    Aber in diesem Moment kommt die Spitze des Umzugs, in Form eines mit Blumen geschmückten Wagens, um die Ecke gebogen. Die Menschenmenge, die plötzlich tanzend über den Platz wogt, zerstreut unser kleines buntes Grüppchen. Und wir, nun ja, wir nutzen die Gunst der Stunde, um uns davonzumachen. Keiner hat Lust, mitten im schönsten Karnevalsfest auf die Wache zu gehen und stundenlang Aussagen zu machen. Der arme Polizist, der Fernando an den Handfesseln hält, sieht uns entgeistert nach. Er tut mir ein bisschen leid. Da hat er schon den Geschichten, die für ihn wahrscheinlich haarsträubend klangen, Glauben geschenkt und ist mit hierhergekommen, und wie wird es ihm gedankt? Indem wir ihn allein lassen.
    Â» Wir kommen später aufs Revier « , rufe ich ihm zu, doch ich fürchte, dass der Einmarsch der bateria, der Trommlertruppe, meine Worte übertönt.
    Der Rhythmus, den die Trommler schlagen, ist sehr schnell und wild. Die Menschen drehen sich im Kreis dazu und wackeln auf beinahe anstößige Weise mit den Hüften. Hier und da schnappe ich » samba de roda « auf– das scheint der Begriff für diese Musik und diese Art des Tanzens zu sein. Er ist ganz neuartig für mich, dieser Samba, und er hat etwas eindeutig Afrikanisches, das mich ein bisschen verwirrt und beunruhigt. Bestimmt ist das nur eine Mode, in ein paar Jahren wird man gar nicht mehr wissen, was Samba ist.
    Lu hat meine Hand ergriffen. Die dichte Menschenmenge schützt uns vor neugierigen Blicken, denn es gilt natürlich als etwas absolut Unerhörtes, wenn ein farbiger Junge sich einem weißen Mädchen auf diese Weise annähert. Aldemira habe ich aus den Augen verloren. Vielleicht ist sie nach Hause gegangen, sie wohnt ja ganz in der Nähe. Alice dagegen steht immer noch bei Lu und mir, sieht uns aber nicht an. Sie ist hingerissen von dem Spektakel, das um sie herum stattfindet: von den zuckenden Leibern und stampfenden Füßen, von der Musik, der Hitze und der

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