Januarfluss
rast.
» Machen Sie, dass Sie verschwinden, sonst verständige ich die Polizei! « , rufe ich. Noch immer ist nichts zu hören. Was soll ich jetzt tun? Wenn ich die Tür öffne und auf dem Gang nachsehe, bekomme ich womöglich noch eins mit dem Knüppel übergezogen. Aber wenn ich nicht nachsehe, muss ich hier die ganze Nacht sitzen und Todesängste ausstehen. Welche Möglichkeiten habe ich sonst noch? Ich könnte aus dem Fenster um Hilfe rufen, aber mein Zimmer liegt in Richtung Hinterhof. Die Chancen, dass mich jemand hört, sind gering. Bliebe noch, aus dem Fenster zu klettern und zu flüchtenâ doch ein Blick an der Fassade hinab sagt mir, dass das viel zu gefährlich wäre. Kein Balkon, kein Mauervorsprung, nicht einmal eine hervorstehende Verzierung gibt es da, ganz anders als auf der Vorderseite des Gebäudes.
Auf Zehenspitzen schleiche ich zurück zur Tür. Unterwegs » bewaffne « ich mich mit dem Wasserkrug. Da! Wieder das verräterische Knarren. Diesmal fackele ich nicht lang: Ich reiÃe die Tür auf, schlage der Gestalt den Krug auf den Kopf und schreie: » Was haben Sie hier verloren? «
Der Mann sackt inmitten einer Wasserpfütze zusammen. Erst jetzt erkenne ich ihn. Es ist Dona Eufrásias Sohn, Adalberto.
Er stöhnt leise und hält sich den Kopf.
Erschrocken über meinen eigenen Wagemut lasse ich mich mit dem Rücken an der Wand hinabgleiten. Aber auch in der Hocke sind meine Beine noch ganz weich. » Oh mein Gott, Adalberto! « , murmele ich.
» Was geht hier vor? « Dona Eufrásia kommt die Treppe heraufgestürmt und bleibt vor uns stehen.
» E-e-es ist n-n-n-ichts, mamãe « , antwortet der Arme mit zittriger Stimme.
» Nichts, ja? Das sieht man ja. Senhorita Iolanda « , wendet sie sich an mich, » was hat das alles zu bedeuten? «
Es dauert einen Moment, bis ich merke, dass sie mich meint. Sie kennt mich ja als Iolanda da Silva. » Ich habe Geräusche gehört und gedacht, ein Dieb triebe sich vor meiner Tür herum. Und dann⦠nun ja, Sie sehen ja selbst. «
» Wie können Sie es wagen? « , fährt sie mich an. Ihre Stimme ist kurz davor, sich zu überschlagen. » Sie zerstören einen kostbaren Porzellankrug und fallen meinen Sohn an, nur weil Sie irgendein Geräusch gehört haben? «
Ich sage dazu nichts. Es ist eine Frage, die keine Antwort verlangt.
» Das « , schimpft Dona Eufrásia mit schriller Stimme weiter, » wird Sie teuer zu stehen kommen. Den Krug ersetzen Sie mir. Und für die Arztkosten kommen Sie auch auf. «
Den blöden Krug hat sie nun zum wiederholten Mal an erster Stelle genannt, als sei der Schaden daran schlimmer als Adalbertos Verletzung. Und die scheint mir nicht allzu schwer zu sein, er blutet nicht einmal. Wahrscheinlich bekommt er nur eine dicke Beule.
Dieses Gezeter geht mir langsam auf die Nerven. Ich hocke noch immer an der Wand und weià nicht, ob ich aufstehen kann, ohne dass mir schwarz vor Augen wird. Ich will aber stehen, wenn ich mit der Zimmerwirtin rede, denn ich bin gröÃer als sie, und das ist von Vorteil, wenn man seinen Worten Nachdruck verleihen will.
» Hören Sie « , beginne ich, doch sie lässt mich nicht aussprechen.
» Nichts da, keine faulen Ausreden! Sie poltern hier herum, als seien Sie nicht ganz bei Verstand, zerstören mein Hab und Gut, fügen meinem Jungen Schaden zu, setzen das halbe Haus unter Wasser⦠«
Ich habe es geschafft, mich zu erheben, ohne in Ohnmacht zu fallen. Mir ist ein bisschen flau, aber meine Wut ist stärker.
» Jetzt hören Sie mir mal zu. Ihr ⺠Junge ⹠schleicht nachts vor meiner Kammer herum und jagt mir einen riesigen Schrecken ein. An Ihrer Stelle würde ich hier nicht so herumschreien, weil sonst noch die ganze Nachbarschaft erfährt, wie krank Ihr wunderbarer Sohn ist. «
Adalberto hockt weiter in der Wasserpfütze und sieht aus, als hätte er sich in die Hose gemacht. Er gibt einen jämmerlichen Schluchzer von sich. » D-d-as w-w-wollte i-i⦠«
» Das wolltest du nicht, Schatz, ganz richtig « , ergänzt Dona Eufrásia den Satz. » Du wolltest nur nach dem Rechten sehen, nicht wahr? «
Er nickt bekümmert und hält den Mund. Wahrscheinlich ist ihm selbst am deutlichsten bewusst, wie lästig sein Stottern den anderen istâ ein Stottern, das ganz offensichtlich nur
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