Januarfluss
auftritt, wenn seine Mutter in der Nähe ist.
Dona Eufrásia blickt kopfschüttelnd auf die Szene, dann sieht sie mich an. Ihr Blick wandert an mir herab und ihre Mundwinkel verziehen sich zu einem verächtlichen Grinsen. » Der Ton, den Sie sich herausnehmen, gefällt mir nicht, junge⦠Dame. « Sie betont » Dame « so, als hätte sie eigentlich » Flittchen « sagen wollen. » Im Ãbrigen sollten Sie sich bekleiden, bevor Sie Ihr Zimmer verlassen. «
Erst jetzt merke ich, dass ich noch immer in Unterwäsche bin. Oh mein Gott, wie peinlich. Meine Ohren werden ganz heiÃ, und ich merke, wie ich erröte. Dennoch schaffe ich es noch, zurückzukeifen: » Und mir gefällt nicht, was hier vor sich geht. Gute Nacht! « Ich wende mich von dem traurigen Schauspiel ab und gehe in meine Kammer. Es hat keinen Sinn, weiter mit Dona Eufrásia zu streiten. Ganz gleich, was ich sageâ sie wird es immer so drehen, dass sie im Recht bleibt.
Ich zittere am ganzen Körper, so zornig bin ich und so aufgewühlt. Schwer atmend lehne ich mich an die Tür, die ich zugeknallt und mit viel Getöse verschlossen und verriegelt habe. Von drauÃen höre ich noch Dona Eufrásia, die leise vor sich hin flucht, bevor die Schritte der beiden sich entfernen.
Kurz darauf höre ich erneut Geräusche vom Flur. Ich schlieÃe meine Tür auf und sehe nach, was jetzt schon wieder ist. Innerlich wappne ich mich für einen neuerlichen Disput mit meiner grässlichen Zimmerwirtin. Doch nicht sie sehe ich auf dem Gang, sondern die alte Vovó, die auf Knien den Boden trocken wischt.
Als sie mich im Türrahmen entdeckt, rappelt sie sich ächzend auf und gibt mir durch eine Geste zu verstehen, dass ich ihr folgen soll. Sie führt mich in eine kleine Abstellkammer, die gleich neben meinem Zimmer liegt. Dort stellt sie sich an die Wand und lugt durch ein Loch in der Mauer. Sie winkt mich zu sich und lässt nun mich durch das Loch schauen.
Na groÃartig, denke ich. All meine Verstecke, all meine Handarbeit umsonst: Von hier aus hat Adalberto jeden meiner Schritte und jeden meiner Handgriffe beobachten können. Ich muss mich unweigerlich schütteln.
Die alte Sklavin streicht mir beruhigend über den Arm. Ich bekomme eine Gänsehaut, und ich weiÃ, dass es sicher nicht von der schwieligen Hand der alten Sklavin ist.
Ich hoffe, sie weià es auch.
7
Ob ich Alice besuchen soll? Die halbe Nacht habe ich wach gelegen und über diese Frage nachgedacht, nachdem ich zunächst das Loch in der Wand mit Zeitungspapier ausgestopft habe. Alice müsste jetzt in Rio sein, im Haus ihres Vaters. Sie könnte mir vielleicht mit ein wenig Geld aushelfen, ganz bestimmt aber mit frischer Kleidung. Doch ist sie wirklich vertrauenswürdig? Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher. Eines ist gewiss: Alice ist für » Streiche « dieser Art jederzeit zu haben, also wird sie mir bestimmt helfenâ zunächst. Doch ob sie mich danach verrät? Zuzutrauen wäre es ihr. Aber ich muss ihr ja nicht alles erzählen. Wenn ich meinen Aufenthaltsort geheim halte, dürfte nicht viel passieren. Ja, beschlieÃe ich endlich, als die Morgendämmerung bereits einsetzt, ich werde ihr einen kleinen Ãberraschungsbesuch abstatten.
So einfach, wie ich es mir vorgestellt habe, ist es dann allerdings doch nicht.
Ich warte, bis Dona Eufrásia sich zu ihrem täglichen Gang auf den Friedhof aufgemacht hat, dann husche ich so schnell und so leise wie möglich aus dem Haus. Da ich die Kleider des Stalljungen trage, will ich auf keinen Fall, dass irgendjemand hier mich zu Gesicht bekommt.
Die Verkleidung ist notwendig, weil man mich im Hause Fagundes kennt. Alices Vater, ihre Gouvernante und sogar ein paar Bedienstete würden mich in meinen normalen Kleidern sofort erkennen, während sie einem verwahrlosten Burschen keinen zweiten Blick gönnen. Allerdings hat man als ärmlich gekleideter Junge auch ziemlich schlechte Karten, wenn man nach der Tochter des Hauses fragt. Man wird mich sofort abweisen, wenn ich nicht einen sehr guten Grund nenne, um mit Alice zu reden. Und zwar mit ihr persönlich.
Von meinem letzten Geld kaufe ich einen wunderschönen Blumenstrauà sowie ein Kärtchen. Noch im Geschäft bitte ich um einen Stift, um die Karte zu schreiben. Der Verkäufer sieht mich konsterniert an: Nicht nur, dass ein Lumpengeselle bei ihm Blumen
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