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Januarfluss

Januarfluss

Titel: Januarfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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plötzlich hässlich und falsch gekleidet. Hätte ich mir doch lieber das Tuch von Beatriz borgen sollen? Wäre es nicht besser gewesen, mein feines Seidentäschchen zu reinigen und zu reparieren? Mein Gott, ich bin seiner einfach nicht würdig.
    Haben Jungen und Männer auch solche Selbstzweifel? Begutachten sie sich ständig im Spiegel, zupfen sie immerzu an sich herum, mäkeln sie an ihren Haaren herum oder verfallen sie in Trübsinn, wenn ihnen ein Pickel sprießt? Ich glaube nicht. Äußere Schönheit ist beim Mann nicht so wichtig, während sie bei uns Frauen geradezu elementar ist. Eine hässliche Frau hat es schwer auf der Welt, denn es wird sich nur mit Mühe eine gute Partie für sie finden lassen. Die aber ist von großer Bedeutung, schließlich sind es gerade Ehe und Familie, die unseren Lebensmittelpunkt bilden. Alle anderen Möglichkeiten, etwas zu bewirken, sind uns verschlossen. Wie viele Politikerinnen, Künstlerinnen oder Wissenschaftlerinnen von Rang gibt es in Brasilien? Keine einzige. Und im Rest der Welt sieht es nicht viel besser aus.
    Â» Ja, bitte? « , höre ich Gustavos leicht kratzige Stimme von oben.
    Erkennt er mich nicht? So stark dürfte ich mich innerhalb einer Woche ja kaum verändert haben.
    Â» Gustavo, ich bin es, Isabel. Isabel de Oliveira. «
    Â» Äh… helfen Sie mir auf die Sprünge. «
    Ach, er ist nur noch nicht ganz wach, der Ärmste. Irgendwie finde ich es entzückend, wie er da so schlaftrunken steht und in seinem noch nicht ganz wachen Hirn nach einer Erinnerung an mich fahndet.
    Es dauert einen Moment, bis er sich seiner Manieren entsinnt und die Treppe herunterkommt, um mich zu begrüßen.
    Â» Verzeihen Sie meinen Aufzug « , sagt er, » es ist spät geworden letzte Nacht. «
    Â» Nein, nein, Sie müssen entschuldigen, weil ich hier so unangekündigt vorbeigekommen bin. Ich war gerade in der Nähe und da fiel… «
    Â» Sind Sie nicht die junge Dame, nach der überall gesucht wird? « , unterbricht er mich.
    Ich blicke ihn entgeistert an. Ist das das Erste, was ihm bei meinem Namen und meinem Anblick in den Sinn kommt? Dass ich gesucht werde? Hätte er nicht fragen können, ob ich die junge Dame bin, deren Einladung er leider ausschlagen musste? Oder die, deren flüchtige Bekanntschaft er einmal gemacht hat, die aber gleichwohl einen tiefen Eindruck hinterlassen hat? Oder wenigstens, ob ich nicht eine Freundin von Florinda sei?
    Â» Natürlich! « , ruft er aus, begeistert von seiner Erkenntnis. » Isabel de Oliveira. Sie hatten mich zu Ihrer festa de quinze anos eingeladen und dann sind Sie genau während dieses Festes spurlos verschwunden. Ich hätte vielleicht doch kommen sollen, was? « , fragt er neckisch und zwinkert mir zu. » Die ganze gehobene Gesellschaft Rios spricht darüber, es kursieren die wildesten Gerüchte und Spekulationen. Sie seien von Ihrem Liebsten entführt worden, hört man noch am häufigsten. «
    Â» Nun, ich würde Ihnen gerne berichten, was sich wirklich zugetragen hat. Allerdings wäre es mir lieber, wir könnten diese Unterredung an einem Ort führen, der etwas weniger…. öffentlich ist als die Eingangshalle. «
    Â» Aber ja, um Gottes willen, ja, wo sind nur meine Manieren geblieben? Nehmen Sie bitte im Salon Platz. Möchten Sie einen Kaffee? Gebäck? « Ohne meine Antwort abzuwarten, quasselt er weiter. » Ich werde Ihnen eine Erfrischung reichen lassen. Wenn Sie sich nur fünf Minuten gedulden mögen, ich bin gleich ganz für Sie da. « Damit wendet er sich ab, ruft dem mordomo die entsprechenden Anweisungen zu und entschwindet wieder nach oben.
    Es dauert länger als fünf Minuten, bis er wiederkehrt. Darüber bin ich gar nicht so unglücklich, denn das Gebäck ist vorzüglich, und ich verschlinge es gierig. Ob das Personal mich beobachtet, ist mir egal, die Sklaven zählen nicht als Zuschauer. Ich tupfe mir gerade die letzten Krümel aus dem Mundwinkel, als Gustavo auftaucht. Er hat sich rasiert, die Haare mit Pomade geglättet und duftet wie eine französische Parfümerie. Ich lächle ihn an und hoffe, dass keine Keksreste zwischen meinen Zähnen sichtbar sind.
    Â» So, meine liebe Senhorita Isabel. Das verspricht spannend zu werden. Dann erzählen Sie mal « , fordert er mich ohne große Umschweife auf. Diese direkte Art gefällt

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