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Januarfluss

Januarfluss

Titel: Januarfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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deine Klugheit einmal für etwas Sinnvolles einzusetzen. «
    Ich will ihm schon widersprechen, doch er lässt mich nicht zu Wort kommen. » Ich habe dich beobachtet, Bel. «
    Bel? Diese Kurzform für Isabel hat er in der Nacht verwendet, in der wir in seiner Hütte im Tijuca-Wald waren. Ich frage mich, ob es ihm nur herausgerutscht ist oder ob Kalkül dahintersteckt. Vielleicht will er mir das Gefühl geben, dass unsere Freundschaft gewachsen ist, dass er mich akzeptiert und mich schätzt.
    Â» Und ich habe bemerkt, dass viele gute Eigenschaften in dir stecken, die man bei einem feinen Dämchen gar nicht vermuten würde. Du bist klug, du bist pragmatisch, du bist stark. Eine weinerliche Senhorita, die bei der kleinsten Schwierigkeit aufgibt, bist du wirklich nicht. Du hast dich bisher wacker geschlagen und deshalb solltest du jetzt auf keinen Fall aufgeben und wieder nach Hause gehen. Du kannst etwas Wichtiges bewirken, verstehst du das nicht? Was hätte dein kleiner Ausflug in die Freiheit schon gebracht, wenn du jetzt wieder zu Papa und Mama rennen würdest? Hier bietet sich dir nun die seltene Gelegenheit, an etwas wirklich Sinnvollem, Großem beteiligt zu sein, das obendrein noch zu deinem eigenen Vorteil wäre. «
    Von uns beiden unbemerkt hat Angélica sich wieder zu uns gesellt. Sie zieht geräuschvoll den Schleim in ihrem Hals hoch und schluckt das Ganze dann mit einem Gläschen Schnaps hinunter. All das Schöne, das ich gerade gehört habe, das mich aufbaut und mich freut, wird von dieser vulgären Geste zunichtegemacht. Ich muss mich schütteln. Das war wohl auch genau ihre Absicht. » Bild dir bloß nix ein, Prinzesschen. Lu schmiert dir Honig ums Maul, damit du bei seinem Plan mitmachst. «
    Sie ist anscheinend schon leicht angeheitert, denn warum sonst hätte sie so etwas sagen sollen? Ist sie nicht selbst daran interessiert, dass ich mich mit ihnen verbünde?
    Â» Hör nicht auf sie « , sagt Lu. » Die ist betrunken. «
    Die beiden starren sich wütend an. Es ist mir unangenehm, zur Zeugin dieser kleinen Unstimmigkeit zwischen den beiden zu werden, und ich will nicht daran schuld sein, wenn ihre Freundschaft einen Riss bekommt.
    Â» Wirst du wenigstens darüber nachdenken? « , fragt Lu mich.
    Ich nicke. Eine Nacht darüber zu schlafen ist sicher vernünftig.
    Â» Gut, dann sprechen wir morgen weiter. Ich muss los. « Mich bedenkt er zum Abschied mit einem kurzen Nicken, Angélica drückt er einen Kuss auf die Wange. » Boa noite! « , wünscht er uns beiden. Dann ist er weg.
    Die Wohnung wirkt leer und öde ohne ihn, seelenlos.
    Â» Das war mal wieder ein typischer Lu-Abgang « , lallt Angélica. » Taucht auf und haut ab, wann es ihm gefällt, so plötzlich und lautlos wie ein Gespenst. Und wenn er weg ist, ist nichts mehr, wie es vorher war. «
    Ich wundere mich, dass sie durch den Alkoholnebel hindurch noch so gut beschreiben kann, was auch ich eben empfunden habe.
    Â» Wir sollten ins Bett gehen « , sage ich, weil ich nicht länger mit ihr am Tisch sitzen und mich beleidigen lassen mag. Hinter Angélicas Augen lauert Aggression, das sehe ich. Man geht ihr jetzt besser aus dem Weg. Aber zu spät: Ich habe bereits das Falsche gesagt.
    Â» Du gehst ins Bett. In mein Bett. Ich gehe jetzt raus und suche mir ein fremdes Bett für die Nacht « , faucht sie.
    Sie malt sich Lippen und Wangen rot an und schenkt mir beim Verlassen der Wohnung ihr strahlendes Lächeln, das so täuschend echt aussieht, von dem ich aber weiß, dass es nur Fassade ist. Es tut mir leid für sie, dass sie jetzt wieder auf die Straße muss. Zugleich bin ich froh, dass ich eine Weile für mich sein kann.
    Ich muss nachdenken.

19
    Am nächsten Morgen wache ich früh auf und bin voller Energie. Ich habe einen Entschluss gefasst. Lu wird sich freuen.
    Da in unserer Wohnung nichts zu essen ist, ich aber einen Riesenhunger habe, mache ich mich leise fertig, um vor die Tür zu gehen. Ich stolpere fast über Angélica, die auf ihrer Matte im Wohnzimmer liegt und schnarcht.
    Es ist noch früh am Morgen, die Luft draußen ist frisch und noch relativ kühl, also unter 30Grad. Beschwingt wie seit Tagen nicht mehr gehe ich durch die Gassen. Heute erscheinen sie mir weniger schmutzig und verwahrlost als sonst. Da ich mir heute ausnahmsweise mein eigenes Kleid angezogen habe, in dem ich nicht

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