Januarfluss
vielleicht ein Kommissar und sein Gehilfe, denn die tragen, soviel ich weiÃ, keine Uniform. Aber wie sollte Senhora Lemos so schnell jemanden aufgetrieben haben, der mir folgt?
» Natürlich warten sie auf jemanden « , erwidert Angélica in einem Ton, der klarmacht, dass sie mich für den gröÃten Dummkopf auf Erden hält. » Auf dich. «
» Warum sollten sie? «
» Um sich die Belohnung zu krallen, die eigentlich Lu und mir zusteht. «
» Erstens steht euch gar nichts zu, dir am allerwenigsten. Zweitens habt ihr euch doch bereits ein Vermögen ⺠gekrallt â¹ , wie du es ausdrückst, nämlich in Form unseres Familienschmucks. « Ich bin verärgert, über sie mindestens ebenso sehr wie über mich selbst. Wie konnten mir diese Männer unbemerkt folgen? Warum war ich überhaupt so dumm, mich in der Innenstadt herumzutreiben, noch dazu ohne die wirklich gute Tarnung, die Angélicas billige Fummel mir bisher verliehen haben? Einem leichten Mädchen schaut niemand genau ins Gesicht, keiner spricht es in aller Ãffentlichkeit an, jeder versucht es auf der StraÃe weitgehend zu ignorieren. Eine Dame wie Senhora Lemos hätte mich niemals wahrgenommen, wenn ich mit unanständig groÃem Ausschnitt und ordinärer Schminke im Gesicht herumgelaufen wäre, denn sie hätte betreten zur Seite geschaut und alles versucht, um die StraÃenseite zu wechseln.
Aber jetzt ist es zu spät, um zu bereuenâ es ist passiert, und ich muss mir eine Lösung einfallen lassen. Was auch immer die beiden Männer da unten auf meine Spur gebracht hat, ich muss sie irgendwie loswerden. Und zwar schnell. Bestimmt haben die beiden nicht vor, den ganzen Tag auf der StraÃe zu stehen, sich halb tot zu schwitzen und darauf zu warten, dass ich aus dem Haus komme. Sicher überlegen sie gerade, wie sie es am geschicktesten anstellen, mich im Inneren des Gebäudes zu erwischen. Vielleicht holen sie auch noch Hilfe herbei. Wenn das geschieht, bin ich geliefert. Ich muss ihnen zuvorkommen.
Angélica sagt schon wieder irgendetwas Beleidigendes, aber es dringt kaum in mein Bewusstsein vor. Ich überlege fieberhaft, wie ich mich aus dieser schwierigen Lage hinausmanövrieren kann. Eine Idee nimmt in meinem Kopf allmählich Gestalt an, aber noch ist sie zu verschwommen, als dass ich aktiv werden könnte.
Angélica schimpft weiter, und diesmal platzt mir der Kragen: » Halt doch endlich mal die Klappe! « , fauche ich. » Ich muss nachdenken. Oder hast du etwa eine gute Idee, wie ich aus der Sache heil herauskomme? Ich meine, immerhin geht es um ⺠deine ⹠Belohnung, nicht wahr? «
» Du könntest dich unterm Bett verstecken « , schlägt sie vor.
» Dann doch eher unter einem Bett in irgendeiner Nachbarwohnung « , entgegne ich. Halt!, denke ich plötzlich beim Stichwort Nachbarwohnung. Das Mädchen von oben könnte mir helfen.
» Wenn diese Polacken überhaupt ein Bett haben « , sagt Angélica, doch ich gebe ihr mit einer Geste zu verstehen, dass sie ruhig sein soll, damit ich meinen Gedanken zu Ende fassen kann.
Die Nachbarstochter sieht von Weitem aus wie ich. Sie hat meine GröÃe und meine Statur, auÃerdem langes schwarzes Haar. Wenn sie nun noch meine Kleider tragen würde, könnte sie einen flüchtigen Betrachter vielleicht täuschen. Ginge das Mädchen in meinen Sachen auf die StraÃe, dann könnte es doch sein, dass die Männer ihr folgen würden. Und das wiederum würde mir Zeit verschaffen, mich zu verstecken. Wo auch immerâ darüber kann ich ja später noch nachdenken.
Ich laufe in » mein « Zimmer, also Angélicas Schlafzimmer, wo über der Stuhllehne noch das Kleid hängt, das ich gestern getragen habe, eines von Angélicas freizügigen Exemplaren. Hastig schäle ich mich aus meinem abgetragenen, aber braven Kleid und ziehe meine Dirnenverkleidung an. Dann renne ich nach oben, in den dritten Stock, und hoffe inständig, dass das Mädchen zu Hause ist.
Nach meinem hektischen Klopfen muss ich nicht lange warten, bis die Tür geöffnet wird.
» Ja? « , fragt das Mädchen, als sei ich eine völlig Fremde, die an der Tür um Almosen bettelt. Könnte sie sich nicht ein bisschen weniger schroff geben?
» Ãh, guten Morgen. Ich⦠ich wollte dich um einen Gefallen bitten. «
» Ja? «
Warum ist sie so
Weitere Kostenlose Bücher