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Januarfluss

Januarfluss

Titel: Januarfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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beiseitelege und die Dienstboten den Tisch abräumen, bin ich so satt und zufrieden wie lange nicht mehr.
    Â» Cafézinho – einen kleinen Kaffee? « , fragt Dom Fernando und sieht mich belustigt an. » Und einen Digestif? Sie könnten jetzt sicher einen Kräuterlikör vertragen. «
    Â» Ja, gern « , antworte ich. Mir ist die leise Kritik an meiner Völlerei durchaus nicht entgangen, aber ich schere mich nicht darum. Soll Dom Fernando doch denken, dass ich eine gefräßige Kuh bin, vielleicht wird ihn das davon abhalten, mir nachzustellen.
    Â» Gehen wir in den Salon? «
    Ich nicke und folge ihm. Man serviert uns die cafézinhos in Porzellan-Tässchen, die so zart und fein sind, dass man fast hindurchschauen kann. Dom Fernando ist an den Barschrank getreten und übernimmt persönlich die Aufgabe, uns einen Verdauungslikör auszusuchen und einzugießen. Er kommt mit fein geschliffenen Kristallgläschen zurück und setzt sich auf dasselbe Sofa wie heute Nachmittag. Auch ich habe denselben Platz eingenommen. Auf dem Sessel kann er mir jedenfalls nicht zu nah auf die Pelle rücken.
    Â» Auf Ihre bestandenen Abenteuer « , sagt Dom Fernando und hebt das Glas.
    Â» Ja « , sage ich dümmlich.
    Ich trinke das scharfe Getränk in einem Schluck, denn anders ist es nicht hinunterzubekommen. Um meinen guten Ruf mache ich mir schon lange keine Sorgen mehr.
    Er sieht mich erwartungsvoll an. Wahrscheinlich hofft er jetzt auf eine Schilderung ebenjener bestandenen Abenteuer, auf die wir angestoßen haben. Nun, da kann er lange warten. Ich werde ihm nichts von dem erzählen, was er gerne hören würde. Nur eine bereinigte Version, die Lu und ich uns genau überlegt haben.
    Da ich aus eigenem Antrieb nichts sage, versucht Dom Fernando mich mit Fragen aus der Reserve zu locken. » Wo waren Sie all die Zeit? Wo haben Sie sich versteckt? Soviel ich weiß, haben Ihre lieben Eltern bei all Ihren Freunden, Verwandten und Bekannten nach Ihnen gesucht… «
    Ich werfe den Kopf nach hinten und lache. Ich hoffe, dass es nicht allzu künstlich klingt. » Ach, das war ganz einfach. Eine Freundin hat mich in der Wohnung ihrer Tante untergebracht, die für ein paar Monate in Europa weilt. «
    Â» Tatsächlich? « , hakt er ungläubig nach. » Und niemand hat Sie dort gesehen? Gab es keine Dienstboten? Mussten Sie nicht aus dem Haus, um in Ihrer… Angelegenheit tätig zu werden oder um einzukaufen? «
    So detailliert haben Lu und ich diese Geschichte nun auch wieder nicht ausgesponnen. Ich muss improvisieren.
    Â» Es gab dort ein Dienstmädchen, dessen Schweigen ich mir, äh, gekauft habe. Sie hat alles für mich erledigt, Einkäufe, Wäsche, Kochen. Ich war nur sehr selten draußen, und in diesen Fällen habe ich mein Erscheinungsbild ein wenig verändert. Wirklich, es war kinderleicht. «
    Â» Erstaunlich « , schmunzelt er. » Und wie sind Sie überhaupt von Águas Calmas weggekommen? Das gab allen große Rätsel auf. «
    Ich verstecke mich hinter einem gequälten Lächeln. Ich mag schlagfertig und kaltblütig sein, wenn es darauf ankommt, aber eine gute Schauspielerin war ich noch nie.
    Â» Wenn ich Ihnen das verrate, werden Sie mich nie wieder so bewundernd ansehen, geschweige denn mich um einen Tanz bitten… oder mehr. « Ich bin unbewusst zum Flirten übergegangen, denn das scheint mir ein gutes Mittel zu sein, um Männer abzulenken.
    Â» Das, meine schöne Isabel, wird nicht passieren. Ich denke eher, dass Sie in meiner Achtung noch steigen werden. « Mir fällt auf, dass er das » Senhorita « vor meinem Namen fortgelassen hat. Das wiederum ist eher ein Zeichen dafür, dass ich in seiner Achtung gesunken bin. Vielleicht glaubt er, sich Freiheiten herausnehmen zu dürfen, weil ich mit ihm geschäkert habe und weil ich hier, allein und hilflos, bei ihm sitze, was sich für ein anständiges Mädchen absolut nicht gehört.
    Â» Wirklich, Dom Fernando, das ist nichts, worauf ein Mädchen wie ich stolz sein könnte… «
    Â» Ach, zieren Sie sich doch nicht so. Ich verspreche Ihnen, dass es unter uns bleibt. «
    Also erzähle ich ihm die Episode, und zwar mehr oder weniger wahrheitsgemäß. Ich berichte von den Kleidern des Stallburschen, von meiner Fahrt als blinder Passagier an der Gepäckablage der Kutsche, von meiner Zugfahrt. Als ich ende,

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