Januarfluss
nicht Ihr hübsches Köpfchen. « Er zwinkert mir zu und sowohl dieses Zwinkern als auch seine herabwürdigende Art zu reden missfallen mir. In meinem » hübschen Köpfchen « rumort es, und ich muss mich beherrschen, um nicht eine freche Erwiderung zu geben. Es gelingt mir, ein dummdreistes Gesicht zu machen, das meine Unwiderstehlichkeit und meine weibliche Schwäche zum Ausdruck bringen soll. Ich muss so tun, als würde ich ihn von Herzen bewundern und ihm dankbar dafür sein, dass er das Denken für mich übernimmt.
» Noch eine Bitte: Ich muss ein paar Briefe schreiben. Dürfte ich dafür Ihr Papier sowie Feder und Tinte benutzen? «
» Aber natürlich dürfen Sie das. Bitte fühlen Sie sich ganz wie zu Hause. Wenn Sie möchten, können Sie sich zum Schreiben auch gern an meinen Sekretär setzen, man hat dort ein gutes Licht sowie einen wunderschönen Ausblickâ falls es beim Schreiben einmal stockt und einem die richtigen Worte fehlen. «
» Vielen Dank. « Ich versuche, meinen Jubel nicht allzu deutlich durchklingen zu lassen.
» Aber gern « , sagt er und setzt seinen Hut auf. » Und nun adieu, meine liebe Isabel. « Endlich verschwindet er.
Ich sehe ihm durch die bunten Glasscheiben in der Haustür nach und muss zugeben, dass er wirklich immer und überall eine gute Figur macht. Selbst die Art, wie er sein Pferd besteigt, zeugt von Körperbeherrschung, Eleganz und Klasse. Kaum ist er in einer Staubwolke davongestoben, gehe ich, um Ruhe und Anmut bemüht, ins Speisezimmer. Bestimmt wartet ein groÃartiges Frühstück auf mich. Bei der Aufgabe, die vor mir liegt, kann eine vernünftige Stärkung nicht schaden.
Eine Stunde später sitze ich am Sekretär und tue so, als schriebe ich einen Brief. Mehr als » Liebe Alice « steht noch nicht auf dem Blatt und viel mehr wird dort auch nicht stehen. Unter dem Briefbogen liegen alle möglichen Papiere, die ich in der Schublade gefunden habe.
Ich bin sehr aufgeregt und habe Angst, dass jeden Augenblick wieder jemand hereinkommt. Trotz meines ausdrücklichen Wunschs, nicht gestört zu werden, waren bereits drei verschiedene Dienstboten in dem Raum, darunter auch der strenge mordomo. In der casa grande von Bela Vista scheint sonst nicht viel zu passieren, anders lässt sich diese übertriebene Neugier der Sklaven nicht erklären. Unsere Sklaven auf Ãguas Calmas sind auch sehr neugierig, aber da wir andauernd Besucher haben und sich jeden Tag irgendetwas Spannendes ereignet, sind sie nicht ganz so verzweifelt auf der Jagd nach Neuigkeiten, die für Klatsch und Tratsch geeignet sind. Hier dagegen bin ich anscheinend das Aufregendste, was sie seit Langem gesehen haben, und sie wollen sich keine Sekunde meines Aufenthaltes entgehen lassen.
Hätte ich wirklich in Ruhe einen Brief schreiben wollen, wäre ich längst auf mein Zimmer gegangen. Die privaten Gemächer können die Dienstboten nicht ganz so nach Belieben aufsuchen. Aber ich fahnde ja unter diesen Papieren nach einem Beweis für Dom Fernandos böse Machenschaftenâ ein Unterfangen, das mir allmählich ziemlich sinnlos erscheint.
Bisher habe ich nur einen uralten Kaufvertrag für einen Zuchthengst zum Preis von 800Mil-Réis gefunden, womit das Tier eindeutig einen höheren Wert hatte als jeder Sklave, sowie ein paar romantische Briefe, geschrieben in spanischer Sprache von einer verliebten Senhorita Dolores aus Buenos Aires. Das Spanische ist dem Portugiesischen sehr ähnlich, auch wenn es manchmal Verständnisschwierigkeiten gibt, weil die Aussprache eine ganz andere ist. Geschrieben aber ist es sehr leicht zu verstehen. Offenbar hat Dom Fernando bei der Dame Annäherungsversuche gemacht, die dieseâ in dem Glauben, er würde sie anschlieÃend heiratenâ gestattet hat. Und nachdem er ihre Küsse und Zärtlichkeiten genossen hat, ist er wieder abgereist, natürlich ohne die arme Senhorita Dolores um ihre Hand zu bitten.
Was diese Papiere in einer abgeschlossenen Schublade verloren haben, ist mir schleierhaft. Die Dolores-Briefe beweisen zwar, dass Dom Fernandos Charakter nicht ganz einwandfrei ist, als Beweis für ein Verbrechen jedoch taugen sie nichts. Ich lege sie so, wie ich sie in der Schublade vorgefunden habe, wieder hinein und widme mich dem nächsten Stapel, den ich daraus hervorziehe. Dieser Moment ist der kritischste. Wenn der Butler
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