Januarfluss
sehe ich, dass Dom Fernando sich vor Lachen fast verschluckt. Tränen treten in seine Augen, so sehr amüsiert er sich über meine Erzählung.
» Köstlich! « , ruft er begeistert aus. » Das ist die beste Geschichte, die ich seit Langem gehört habe! « Er steht auf und nimmt unsere leeren Likörgläser mit zum Barschrank, um sie erneut zu füllen.
» Darauf trinken wir noch ein Likörchen, nicht wahr? Meine schöne, raffinierte und mutige Isabel. «
Ich wage es nicht, ihm zu widersprechen. Ich bin nicht seine Isabel. Schön, raffiniert und mutig, von mir aus, aber nicht die Seine. Und das werde ich nie sein. Genau darum geht es doch hierâ wie gut, dass er mich indirekt daran erinnert hat. Ich werde keinen Alkohol mehr trinken und ich werde auf der Hut vor ihm sein. Ich darf mein Ziel nicht aus den Augen verlieren, weder das groÃe Ganze noch die kleine Aufgabe, die direkt vor mir liegt: Ich muss den Sekretär öffnen. Ich muss hellwach sein und jede Gelegenheit nutzen, die sich mir dazu bietet.
Schon eine Viertelstunde später ist es so weit. Dom Fernando entschuldigt sich kurz und verlässt den Salon durch die Tür, die zur Eingangshalle führt. Eine zweite Tür auf der gegenüberliegenden Seite ist schätzungsweise die zum Arbeitszimmer. Wo der Speisesaal liegt, weià ich ja, und welcher andere Raum sollte sich noch hier im Parterre befinden? Ich hoffe, dass die Aufteilung der Räume derjenigen entspricht, wie ich sie aus fast jeder casa grande kenne.
Ich stehe auf und laufe auf Zehenspitzen zu der Tür. Vorsichtig drücke ich die Klinke hinunter, öffne die Tür einen Spalt weit und sehe in den Raum hinein. Da kein Licht brennt, sind die Möbel nur schemenhaft zu erkennen, aber der Geruch ist unverwechselbar. Das Arbeitszimmer meines Vaters riecht genauso: nach Leder, staubigem Papier und Zigarrenrauch.
Ich betrete den Raum und taste mich zum Sekretär vor. Nach einigen Sekunden haben sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt, sodass ich mehr erkenne. Dennoch ist es nicht hell genug, um mit einem nachgemachten Schlüssel an einer Schublade herumzufummeln und in deren Innerem nach verräterischen Unterlagen zu stöbern. Ich fürchte, ich muss mir tagsüber einen Vorwand suchen, um mich hier drin aufzuhalten.
Ich höre, wie sich nebenan die Tür öffnet. Mein Herzschlag setzt aus. Wenn Dom Fernando mich nun hier entdeckt⦠Die einzige Lösung, die mir auf die Schnelle einfällt, ist die, dass ich mich ein wenig beschwipst stelle und so tue, als sei ich auf der Suche nach dem stillen Ãrtchen gewesen. Oh mein Gott, hoffentlich errät er nichts!
Doch im Salon ist nur Rosa, die die Kaffeetassen abräumt und den Tisch abwischt. Sie wirft mir einen scharfen Blick zu, sagt aber kein Wort. Ich schlieÃe leise die Tür zum Arbeitszimmer und lasse mich in meinen Sessel fallen, gerade rechtzeitig, bevor Dom Fernando zurückkehrt.
Ich stehe sofort wieder auf und täusche ein unterdrücktes Gähnen vor. » Es ist Zeit für mich, ins Bett zu gehen. Ich brauche meinen Schönheitsschlaf. «
» Den brauchen Sie gewiss nicht, Sie sehen immer bezaubernd aus. «
» Wie charmant Sie flunkern können « , ziehe ich ihn auf und klimpere dabei kokett mit den Wimpern. Dann setze ich wieder eine neutrale Miene auf. » Es war ein sehr schöner Abend, dafür danke ich Ihnen, Dom Fernando. Ich hoffe, dass Sie morgen nicht allzu viele Verpflichtungen haben und wir erneut Zeit füreinander finden. «
» Für Sie werde ich immer Zeit erübrigen können. «
» Gute Nacht, Dom Fernando. «
» Gute Nacht, Isabel. « Er dreht sich zu dem Dienstmädchen um, das an der Tür steht, und sagt zu ihm: » Mia, bring die Senhorita nach oben. «
» Oh, kann Rosa mich nicht begleiten? « , frage ich.
Dom Fernando sieht mich scharf an.
» Es ist nur⦠Sie gefällt mir. Sie ist freundlich und unaufdringlich und sie scheint mir geschickt zu sein. Die meisten Sklavinnen sind ja faule, dumme Dinger, die noch die einfachsten Aufgaben nicht bewältigen, die mir zum Beispiel beim Kämmen die Haare ausreiÃen oder mir beim Schnüren des Korsetts wehtun. «
Mia senkt den Kopf und flüstert: » Rosa ist schon in die senzala gegangen, Senhor. « Man sieht, dass sie Angst hat, nicht nur vor ihrem Herrn, sondern auch vor mir, die ich in ihren Augen
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