Januskopf
Dessert trinkt, oft zu Mandelkeksen.«
»Woher wissen Sie das?«
»Trauen Sie mir nicht zu, hm?«
»Hardo, bitte. Was bedeutet das? Spielt jemand mit uns? Ist es Ewald? Begeht er die Morde? Warum schreibt er sich dann selbst Briefe? Hypergraphisch sahen die nicht aus, ganz bestimmt nicht. Ewald hat eine verschnörkelte, ausufernde Handschrift und lässt keine Unze Weiß auf dem Papier.«
»Jemand anderes kann Ewalds Obsession durchschauen und ihn mit dieser Geschichte unter Druck setzen.«
»Aber wer? Und warum?«
»Seine Frau. Um ihn vollends auszubluten und ihn klinikreif zu kriegen«, schlug Hardo vor.
»Nicht sehr wahrscheinlich«, widersprach Katinka. »Weshalb sollte sie mich dann engagieren?«
»Gute Frage, aber nur, weil Charlotte Sie angeheuert hat, ist sie noch lange nicht aus dem Verdächtigenkreis ausgeschieden.«
»Was ist mit Veit?«, fragte Katinka. »Er hat tatsächlich eine Affäre mit Charlotte! Nicht nur mit ihr! Am Freitag hat er sie versetzt. Also hat er noch eine Liebschaft laufen.«
»Schon dreist, wenn man der eigenen Tochter den Freund ausspannt.«
»Heute Morgen kam Markus zum Frühstück«, berichtete Katinka weiter. »Charlotte behandelte ihn nicht gerade freundlich. Sie kreiste über ihm wie ein gieriger Habicht.«
»Sitzen Sie etwa Markus Isensteins Charme auf?«, fragte Hardo spöttisch.
»Quatsch. Aber einen leichten Stand hat er nicht. Seine Mutter sponsert ihn. Er hat zwar Aufträge, aber Charlotte ist das zu wenig.«
»Die Aufträge können Sie knicken. Er baut einem Freund einen Hobbykeller. Das würde ich auch gerade noch schaffen. Ohne Architekturstudium.«
Katinka massierte ihre Schläfen. Mit einem Mal wollten ihr die Augen zufallen.
»Wissen Sie, dass Markus Isenstein auf Pump lebt?«, fragte Hardo. Er genoss die Wirkung, die seine Worte auf Katinka hatten.
»Auf Pump?«
»Er hat Ansprüche an das Leben auf diesem Planeten: ein teurer Geländewagen, ein Motorrad der Spitzenklasse, eine Wohnung und ein Büro in exklusiver Lage, mehrere ebenso exklusive Frauen.«
»Sie haben sein Konto gecheckt?«
Wieder zog Hardo seine Ich-sag’s-ja-Grimasse.
»Aber seine Mutter schiebt ihm Bares über den Tresen!«
Der Kommissar hob die Augenbrauen. Katinka kannte seine Mimik. Das hörte er zum ersten Mal. Er räusperte sich:
»Markus Isenstein hat vor einem knappen halben Jahr ein Darlehen von einer halben Million aufgenommen, um seine materiellen Bedürfnisse abzudecken.«
»Womit hat er denn die Bank überzeugt?«
»Der Name Isenstein bürgt für ihn. Was glauben Sie, wie viel Geld in Charlotte Isensteins Dentallabor steckt, vom Umsatz ganz zu schweigen.«
»Er hat den ganzen Batzen bekommen, ohne selbst eine Sicherheit zu erbringen?«
»Er hat die Wohnung und das Büro. Nicht gerade billig, dort drüben an der Nonnenbrücke. Gekauft hat die Immobilien seine Frau Mama. Sein Vater ist nicht reich, ein paar bescheidene Ersparnisse hat er in Fonds angelegt. Seine Pension ist zwar nicht kümmerlich, aber an die Einkünfte seiner Frau kommt sie nicht heran.«
Katinka schnaubte.
»Wozu sollte Markus die Briefe schreiben und seinen Vater verleumden?«
Hardo hob die Arme und ließ sie fallen.
»Ich weiß es nicht. Haben Sie einen Kaffee für mich?«
»Klar.«
Katinka ging in den Nebenraum und setzte Wasser auf. Hardo kam ihr nach.
»Es wäre doch ein Ansatzpunkt, dass jemand Ewald aus dem Weg haben will.«
»Veit!«, sagte Katinka voller Überzeugung, während sie zwei Becher ausspülte und Nescafé hineingab. »Er hätte etwas davon, wenn Ewald vor Gram in die Klinik müsste.«
»Würde es ihm wirklich nützen?« Hardo musterte das Faxgerät, als könne es jeden Moment die Antwort ausspucken.
Katinka dachte nach. Im Grunde störte Ewald die Affäre seiner Frau nicht. Er war an Charlotte gar nicht interessiert. Sie goss das brodelnde Wasser in die Tassen.
»Vielleicht will Veit an Charlottes Geld, und nach ein paar Monaten lässt er sie fallen. Es gibt genug ausgehungerte Frauen ihres Alters, die sich von seinem Gehabe beeindrucken lassen.«
»Palfy!« Hardo nahm ihr eine Tasse aus der Hand und sah sie bestürzt an. »Richten Sie nicht über die Sehnsüchte der Menschen!«
»Verzeihung.« Katinka holte Milch aus dem Kühlschrank. »Sie meinen also, selbst wenn Ewald aufgrund der Aufregung, die die Briefe erzeugt haben, in eine Klinik kommt, würde das für Veits und Charlottes heiße Stunden nichts bringen?«
»Nicht Ewald Isenstein ist der Störfaktor«,
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