Januskopf
sehen.
In der Haustür drehte sich ein Schlüssel. Katinkas Schultern verspannten sich. Charlotte sah erstaunt auf.
»Morgen!«, dröhnte eine wohlvertraute Stimme.
»Markus!« Charlottes geschmeidige Bewegungen froren von einer Sekunde zur anderen zu Eis. Markus ließ einen Schlüsselbund auf den Tisch fallen, lächelte Katinka an und küsste seine Mutter auf die Wange. Sie schob ihn weg. »Was machst du hier?«
Freundliche Begrüßung, dachte Katinka.
»Kaffee trinken vielleicht?«, schlug Markus vor und wandte sich an Katinka: »Haben Sie schon Anhaltspunkte, was meinen Vater betrifft?«
»Es geht voran«, sagte Katinka vorsichtig und nahm eine Tasse Kaffee entgegen.
»Ich habe gehört, die Polizei hat einen Mann verhaftet.«
»Bernhard Kroll, ja!«, sagte Katinka. Sie goss Milch in ihren Kaffee.
»Angeblich soll Kroll auf Frau Palfy geschossen habe, als sie am Freitag nach Königsberg fuhr, um Ewald zu treffen«, mischte sich Charlotte ein.
»Geschossen?« Markus blieb der Mund offen stehen. »Mein Gott!«
»Aber sie können es ihm nicht nachweisen«, vollendete Charlotte und stellte ihrem Sohn eine Tasse Kaffee vor die Nase. Klonk .
Markus machte ein verwirrtes Gesicht, während er sich Zucker in seinen Kaffee rührte.
»Wo waren Sie gestern, Herr Isenstein?«, fragte Katinka.
»Aushäusig.« Er zwinkerte.
»Markus, das ist nicht witzig. Beantworte die Frage.«
An Charlotte ist eine Lehrerin verlorengegangen, dachte Katinka.
»Ich bin gern mit dem Motorrad allein unterwegs«, sagte Markus. »Ich fahre einfach durch die Gegend, am liebsten quer durch die Fränkische Schweiz.«
»Sind Sie eingekehrt?«
»Warum fragen Sie?« Ein Hauch Nervosität flirrte in Markus‹ Stimme.
»Ich frage nur, ob jemand Sie gesehen hat. In einem Biergarten zum Beispiel.«
»Ich bin Anhänger der Null-Komma-Null-Promille-Grenze«, erklärte Markus und strich sich die Locken aus dem Gesicht. »Biergarten macht keinen Spaß, wenn man nichts trinken darf.«
»Haben Sie getankt? Etwas gekauft?«
»Niemand wird sich an mich erinnern, Frau Palfy«, antwortete Markus und hob entschuldigend die Hände. »Solche Ausflüge unternehme ich alleine, ich mag Nebenstraßen und meine Ruhe und Einsamkeit.«
»Gestern explodierte in Königsberg eine Bombe!«, sagte Charlotte und stellte die fertig aufgebackenen Brötchen auf den Tisch. »Im Übrigen hatte ich gehofft, Du würdest dich endlich um den Garten kümmern, wie wir es ausgemacht haben.«
»Bombe?«, fragte Markus verdattert.
»Mögen Sie das Mittelalter?«, erkundigte sich Katinka schnell. Sie dachte an die Krähenfüße.
»Mittelalter? Das sind Fragen!« Er blinzelte.
Katinka antwortete mit einem feinen, kurzen Lächeln. Ihr Blick fiel auf Markus‹ Hände. Sie sah die schwarzen Ränder unter den Nägeln und eine rote Stelle auf seinem Handrücken. Er folgte ihrem Blick.
»Ein Motorradfreak ist auch ein Bastler«, sagte er. »Schläft Mariele noch?«
»Was willst du von ihr?« Charlotte sah Markus scharf an.
»Nur ein bisschen quatschen. Wir haben uns lange nicht gesehen.«
»Sie schläft. Hat sie sich auch verdient. Heute Nachmittag fährt sie nach Leipzig zurück. Wann machst du dich an die Gartenarbeit?«
»Sobald ich kann.« Markus nickte Katinka zu, küsste seine Mutter. Sie drehte den Kopf weg.
»Tschüss dann!«, sagte Markus und ging.
»Gartenarbeit?«, fragte Katinka und wies zum Fenster. »Ihr Garten sieht mir gut in Schuss aus.«
»Nicht dieser«, fauchte Charlotte. »Wir haben am Unteren Stephansberg noch einen kleinen Garten, völlig verwahrlost. Die Terrassen rutschen allmählich den Hang hinunter. Ich habe Markus gebeten, wenigstens die einzelnen Ebenen abzustützen. Aber Sie sehen ja. Mit meinem Sohn kann ich nicht rechnen.«
Sie stand auf und machte sich an der Spülmaschine zu schaffen.
Um acht saß Katinka in ihrem Büro. Die Luft war stickig von der Wärme der letzten Tage. Ihr Kopf brummte vor Müdigkeit, und ihr Magen wehrte sich gegen Charlottes Frühstück. Sie wählte Hardos Handynummer.
»Wo sind Sie?«, fragte er sofort.
»Im Büro. Und Sie?«
»Auf dem Weg vom Klinikum in die Stadt.« Er zögerte. »Wie haben Sie meine Leute ausgetrickst?«
»Die Herrschaften in dem Wagen hinter meinem Käfer?« Katinka tat, als müsse sie überlegen. »Ich glaube, ich habe sie mit Lachgas betäubt.«
»Himmel, Arsch und Wolkenbruch«, kam es von Hardo. Sie ließ sich von seinem ruppigen Tonfall nicht täuschen. Er klang eindeutig
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