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Januskopf

Januskopf

Titel: Januskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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Blockierung. Er findet die Wörter nicht.« Sie blickte nachdenklich auf den Vorhang. »Ich habe Ihnen doch erzählt, dass er nach dem Unfall zunächst Sprachschwierigkeiten hatte. Wenn nun die Aktivität in seinen Schläfenlappen verringert ist«, sie seufzte, als sei sie es leid, zu erklären, »wenn er also keine Krampfanfälle hat, dann hat er so eine Art Schreibblockade. Sie kennen das Phänomen vielleicht. Während des Studiums litten alle irgendwann an einer Schreibblockade.«
    Katinka zuckte die Schultern.
    »Und?«
    »Ewald leidet aufgrund seiner Voraussetzungen sehr viel heftiger daran, als wir es tun würden. Er zerfleischt sich, kratzt sich blutig auf der Suche nach den Wörtern. Er will schreiben. Etwas will aus ihm heraus. Aber es kommt nichts. Das macht ihn wahnsinnig.«
    »Die Antikonvulsiva ...«
    »... gleichen aus, wenn Sie so wollen. Die Blockierungen sind bei ihm auf eine übergroße neuronale Erregung zurückzuführen. Ewald braucht lediglich eine geringe Dosis, um stundenlang zu schreiben.«
    Katinkas Augen hatten sich an das Halbdunkel gewöhnt. Unruhig sah sie sich im Zimmer um. Alles sah aufgeräumt aus, nicht so, als wohne jemand dauerhaft hier. Ein paar Kleidungsstücke hingen am Garderobenständer, und neben dem Fenster hockte eine altmodische Spiegelreflexkamera auf einem Tischchen. Typisch Hotel, dachte sie, alles ist ordentlich und jeden Abend kommt der Mensch in das gleiche gesichtslose Domizil, als habe die Welt sich nicht einmal um die eigene Achse gedreht.
    »Sie sagten, wenn Ewald nicht schreiben kann, weil er blockiert ist, wird er aggressiv.«
    Dr. Thompson verzog die Lippen. Der Vorhang bauschte sich. Katinka spürte den Windstoß.
    »So habe ich das nicht gesagt, aber er ist verwirrt, und dann kann er durchaus aggressiv werden.«
    »Als er in Ihrer Praxis Ihre Sprechstundenhilfe angriff, war er da in diesem Zustand? Hatte er eine Schreibblockade?«
    Liz Thompson kniff die Augen zusammen.
    »Er wollte mich sprechen«, sagte sie und sah zu Boden. Sie löste den Reißverschluss ihrer Motorradjacke und zog ihn ein Stück auf. Außer einem BH trug sie nichts darunter. Flashback. Ein verdrecktes Motorrad und Krähenfüße auf der Landstraße. Frische Abdrücke im Heu. »Ich war in einer Behandlung, und Beatrix versuchte, ihn zurückzuhalten. Auch die etwas spezielleren Patienten müssen sich daran gewöhnen, dass sie nicht zu jeder Zeit frei nach Laune vorsprechen können.«
    »Weiter?«
    »Ewald war zu der Zeit auf Neuroleptika. Man verwendet sie auch zur Behandlung von Stimmungsstörungen und Angstzuständen.« Sie sah an sich herunter und zippte den Reißverschluss wieder einen halben Zentimeter hoch. »Neuroleptika wirken hauptsächlich auf Dopamin, das ist ein Botenstoff im Hirn, der für Motivation und den Anstoß zur Bewegung zuständig ist.«
    Katinka notierte so schnell sie konnte.
    »Aber das Medikament war nicht das Richtige?«
    Dr. Thompson seufzte.
    »Wissen Sie, jeder Mensch ist anders. Man muss ausprobieren. Manches wirkt bei einem Patienten ganz hervorragend, ein anderer dreht fast durch.«
    »Man findet das passende Mittel durch Ausprobieren?«
    »Natürlich gibt es Erfahrungswerte und eine Reihe von knallharten Fakten, die zu beachten sind. Entscheidend ist nicht nur ein einziges Mittel, das auf eine bestimmte Weise funktioniert. Es geht um das Gebräu der Chemikalien im Gehirn. Ihr Zusammenspiel sorgt dafür, dass es uns gut geht, nicht die Substanzen allein. Vieles ist noch gar nicht erforscht.«
    »Ist Ewald nun weniger aggressiv als zuvor?«, fragte Katinka.
    Liz Thompson fuhr sich durchs Haar und zerrupfte ihre Frisur. Die Strähnen lösten sich aus dem Knoten und fielen ihr auf die Schultern. Plötzlich sah sie anders aus als zuvor. Jünger. Herausfordernd.
    »Aggression entsteht aus unterschiedlichen Gründen«, sagte sie. »Bei Männern ist meistens ein zu hoher Testosteronspiegel mit im Spiel. Testosteron ist das Männlichkeitshormon. Eine komplizierte Sache. Es steht in Relation zur sozialen Rangordnung. Nehmen Sie Männer aus der Oberschicht: Ein hoher Testosteronspiegel macht den Mann zum Generaldirektor; er heiratet, hält sich luxuriöse Nebenfrauen und scheffelt Geld an der Börse. Ein armer Mann bleibt unverheiratet, vergewaltigt und säuft.«
    »Ich fragte nach Ewald.«
    »Ewalds Angriff auf meine Sprechstundenhilfe hatte so sicher, wie wir in diesem Fall nur sein können, mit der Blockade zu tun, die ihn am Schreiben hinderte und ihn dadurch

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