Januskopf
Katinkas Bestellung über die Theke.
Katinka stand auf und stellte sich zu Adelina, die Eisbecher arrangierte, die Kaffeemaschine bediente und Gläser in die Spülmaschine stapelte.
»Sie kennen Veit, oder?«, fragte sie.
Das Mädchen rümpfte die Nase.
»Ich verstehe Sie«, sagte Katinka. »Mit Typen wie ihm lassen Sie sich nicht ein. Ich mich übrigens auch nicht.«
Ein Stich im Herzen. Tom. Ausblenden.
Adelina verzog die Lippen zu einem gehetzten Lächeln.
»Der Knabe kommt schon seit Mai regelmäßig zu uns«, sagte sie. »Nie setzt er sich ins Café. Er kauft zwei Eistüten und zischt wieder ab.«
Katinka nickte.
»Sieht nach einer Liebschaft hier in der Nähe aus.«
Adelina donnerte zwei Gläser Latte Macchiato auf den Tresen.
»Sieht so aus.«
Katinka setzte sich wieder an ihren Tisch und wartete. Der blaulippige Kellner brachte die Coppa Ipanema. Sie löffelte das Eis und ließ die Früchte im Glas. Behutsam nahm sie das Schirmchen auf, faltete es zusammen und wickelte zwanzig Euro um den Stab. Werbungskosten, fiel ihr ein. Wieder ein winziger Stich im Herzen. Durchhalten. Diese Sache durchziehen. Alles wird gut. Sie ging zur Theke und legte Adelina das Bastschirmchen in die Handfläche.
»Mit wem war er am Freitag unterwegs?«
»Mit ihr ist er seit drei Wochen und einem Tag unterwegs, um genau zu sein«, antwortete Adelina. »Sie heißt Lule Berger und ist meine Mutter.«
»Danke.«
»Die Bullen haben auch schon gefragt«, sagte Adelina und räumte hastig die leergegessenen Becher in die Spülmaschine. »Aber ich habe es ihnen nicht gesagt. Ich will wirklich nicht, dass Mama Besuch von der Polizei bekommt.«
»Ich bin keine Polizistin.«
»Habe ich schon gemerkt.«
Katinka stieg durch ein frisch gestrichenes Treppenhaus in den ersten Stock und klingelte. Es war genau zwei Uhr.
»Ja, bitte?« Lule Berger lugte heraus. Sie hielt ihren Morgenrock vor der Brust zusammen. Irgendwie sah sie Liz Thompson ähnlich, auch sie trug das blondierte Haar hochgesteckt, doch ihre Figur war zierlicher, zerbrechlich beinahe. Die hohen Wangenknochen lenkten den Blick auf ihre schwarzen Augen.
»Könnte ich bitte mit Veit Behlen sprechen?«, fragte Katinka.
»Ich kenne nicht!«, rief Lule Berger. Ihre Stimme flackerte hysterisch. »Ich kenne nicht.«
»Ich bin nicht von der Polizei«, beruhigte Katinka und zeigte ihre Lizenz vor. »Es ist wirklich sehr wichtig!«
Lule Berger trat unsicher beiseite und ließ Katinka herein.
»Wir sind aus Kosovo«, sagte sie matt. »Kein Stress mit Polizei, bitte!«
Katinka sah sie einen Augenblick verdattert an. Sie hieß immerhin Berger. Ein ziemlich deutscher Name. Dann verstand Katinka.
»Keine Angst«, sagte sie.
»Veit!«, rief Lule Berger, ihre Stimme klang rau, nach vielen Zigaretten und Whiskey. Sie führte Katinka in ihr Wohnzimmer.
Veit tauchte aus dem Hintergrund auf wie ein havariertes U-Boot, in Boxershorts und einem T-Shirt. Sein Haar klebte am Kopf, und er roch nach Schweiß und Alkohol.
»Was ...« Veit riss Mund und Augen auf. »Wie ...«
»Wie ich Sie gefunden habe? Das ist mein Beruf«, erklärte Katinka. »Setzen wir uns. Ich brauche nicht lange.«
Veit stolperte über seine eigenen Füße und landete auf einem von Lule Bergers Sesseln. Er steht unter Stress, sagte sich Katinka. Unter gewaltigem Stress. Mach ihn fertig.
»Sie haben die anonymen Briefe an Ewald Isenstein geschrieben«, raunzte sie ihn an. »Sie wollen ihn ausschalten, um seine Frau ganz für sich zu haben.«
Veit glotzte, räusperte sich, bewegte die Lippen. Kein Ton kam aus seinem Hals.
»Sie haben Beatrix Hanf in Königsberg über die Mauer gestoßen«, machte Katinka weiter. »Sie haben den Mann im Luitpoldhain getötet und danach seine Mutter umgebracht.«
Veit öffnete und schloss seinen Mund, zu entsetzt, um auch nur ein Wort herauszubringen.
»Die Morde haben Sie begangen, um sie Ewald in die Schuhe zu schieben.«
»Nein!«, schrie Veit. Seine Stimme kippte. »Das können Sie mir doch nicht anhängen.«
»Ich nicht. Ich bin bloß die Zuarbeiterin. Aber die Behörden werden Ihnen das anhängen, Herr Behlen.«
Er winselte.
»Ich habe keine Briefe geschrieben und ich habe niemanden umgebracht.« Er wand sich, als habe er Schmerzen. »Glauben Sie mir doch! Ich habe niemanden umgebracht.«
Katinka stand auf, ging zur Tür und schob Lule Berger hinaus.
»Was ist das für eine Nummer, die Sie da abziehen?«, fragte Katinka, während sie die Tür zuschlug.
Weitere Kostenlose Bücher