Janusliebe
Lawrence Schenkel streichelte,
der sich inzwischen kaum noch bewegen konnte.
Er musste irgendetwas tun, bevor jeder am Tisch sah, was in ihm vorging. Ver-
zweifelt kramte er in seinem Hirn nach irgendeiner Bemerkung, einer Bewegung,
die Carrys Hand vertrieb, aber sein Gehirn war wie leergefegt.
Im Moment höchster Not erschien die Rettung in Gestalt von Purler, der das
Dessert servierte. Carrys Hand wanderte wieder auf den Tisch und ergriff den Löf-
fel, um das Sorbet in Angriff zu nehmen, das Purler mit Grandezza vor ihr abstell-
te. Lawrence atmete erleichtert auf.
Den Rest des Dinners verbrachte er damit, seine Gefühle wieder halbwegs un-
ter Kontrolle zu bringen. Trotzdem erfasste ihn ein leichtes Schwindelgefühl, als
er zusammen mit den anderen Gästen in den Salon gehen wollte, der sich an das
Esszimmer anschloss. Hastig klammerte sich Lawrence an der Tischkante fest und
schloss die Augen, um das Kreisen in seinem Kopf zu beruhigen.
«Ist dir nicht gut?» Carrys Stimme klang besorgt an sein Ohr. Sie waren die
Letzten im Speisezimmer.
Lawrence riss die Augen auf und funkelte sie erregt an.
«Doch, es geht mir hervorragend», zischte er ihr zu. «Verschone mich also bit-
te mit irgendeiner deiner Therapien. Es könnte sonst geschehen, dass ich mich so
fit fühle, dass ich dich ohne Kraftaufwand übers Knie lege und dir deinen süßen
kleinen Hintern versohle.»
«Ich dachte, du hättest bessere Ideen», lächelte Carry honigsüß. Sie wandte
sich halb von Lawrence ab, ihn dabei wie zufällig mit der Hüfte streifend und so
unschuldig lockend ansehend, dass ihm erneut das Blut in den Kopf schoss. Im
nächsten Augenblick lag Carry an seiner Brust. Lawrence’ Arme waren wie Stahl-
klammern, mit denen er Carry so fest an sich presste, dass sie seine Erregung an
ihrem eigenen Körper spüren konnte. Es war ihr unmöglich, sich zu bewegen,
seinem Gesicht auszuweichen, das sich langsam dem ihren näherte, bis sich ihre
eigenen Augen in Lawrence’ meerblauen spiegelten.
Einen winzigen Moment lang hielt Lawrence sie mit seinen Blicken gefangen,
dann senkte er seine Lippen auf Carrys und nahm von ihrem Mund Besitz.
Es war eine Sintflut an Gefühlen, die über sie hereinbrach. Auch sie hatte das
erregende Spiel mit Lawrence noch nicht ganz verarbeitet und das Verlangen
schoss nun glühend heiß in ihr hoch. Wild und hungrig erwiderte sie seinen Kuss,
genussvoll Lawrence’ steigende Erregung fühlend, die drängend gegen ihren Un-
terleib pochte.
Ihre Hände fanden wie von selbst den Weg unter sein Jackett, streichelten sei-
nen Rücken und forderten ihn damit zu Zärtlichkeiten auf, die sie ihm bisher vor-
enthalten hatte. Seine Finger schienen plötzlich überall zu sein, brachten Carry
fast um den Verstand, als sie unter ihren weit schwingenden Rock schlüpften, den
sie zum Abendessen gewählt hatte. Darunter trug sie einen winzigen String, der
Lawrence’ forschenden Händen keinerlei Hindernisse entgegensetzte.
«Sir, Ihr Cognac.» Purlers Stimme drang nur mühsam in ihre erhitzten Köpfe.
Entsetzt fuhren sie auseinander und starrten den Butler an, der, ein Tablett in der
Rechten, unter der Tür stand. Gleich darauf tauchten hinter ihm die Gesichter von
Vincent und Patrick auf.
«He, wo bleibt ihr denn?», rief Vincent. «Wir wollen draußen auf der Terrasse
Scrabble spielen.»
Lawrence holte keuchend Luft.
«Gleich», würgte er heraus. Er nahm Purler das Glas ab, das dieser ihm auf dem
Tablett reichte, und leerte es in einem Zug. «Wir sind gleich bei euch.»
«Miss Wright, darf ich Ihnen einen Brandy oder einen Likör servieren?»
Es dauerte einen Moment, ehe Carry begriff, dass Purler mit ihr sprach.
«Oh ... nein ... danke», stotterte sie verwirrt. Und dann, nach einem langen, tie-
fen Atemzug, der ihr Gehirn wieder frei machte, fügte sie an Lawrence gewandt
hinzu: «Würdest du mich bitte bei den anderen entschuldigen, Lawrence? Ich
möchte kurz auf mein Zimmer gehen und mich etwas frisch machen.»
Sie wartete Lawrence’ Antwort nicht ab, sondern eilte aus dem Esszimmer in
die stille Sicherheit ihrer Bonbonschachtel. Lawrence sah ihr mit brennenden Au-
gen hinterher.
———————
Der Abend zog sich für Lawrence unerträglich in die Länge. Als Vincent gegen
Mitternacht auch noch die Stereoanlage in Gang setzte und zum Tanzen auffor-
derte, hatte sein großer Bruder mehr als genug von diesem Tag. Mit einer Entschul-
digung verabschiedete er
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