Janusliebe
sein.
Arthur erhob sich, sah nachdenklich zu seiner Frau, die sich in ein Buch ver-
tieft hatte, und schlenderte dann gemütlich zum Pool, in dem sein Sohn eben die
Schau-mal-was-ich-für-ein-toller-Kerl-bin-Nummer vor Carry aufführte.
Purlers Auftritt enthob seinen Vater der schwierigen Entscheidung, ob er
schwimmen gehen oder sich am Pool langweilen sollte. Arthur stürzte bereits zu
den Umkleidekabinen, während Purler noch dabei war, die Gesellschaft zum Im-
biss ins Esszimmer zu bitten.
Lawrence beobachtete gespannt, wie Carry aus dem Becken kletterte und zu
ihrer Liege lief, auf der ihre Kleider lagen. Patrick kam ihr hinterher. Er legte den
Arm um ihre Taille und drückte sie leicht an sich, worauf Carry lachend den Kopf
schüttelte, dass die honigblonden Locken flogen. Winzige Wassertropfen spritz-
ten auf, gleich einem kurzen Regenschauer, dem sich Patrick nicht rechtzeitig ent-
ziehen konnte.
Die kleine Rangelei, die darauf folgte, schnürte Lawrence die Kehle zu. Er woll-
te aufspringen und die Halle wutentbrannt verlassen, aber in diesem Augenblick
entwand Carry sich Patricks Armen. Einen Augenblick blieb sie vor Patrick stehen,
streifte sich mit einer aufreizenden Geste das Wasser von ihren Armen und dem
flachen Bauch und ging dann, sich in den Hüften wiegend, an Lawrence vorbei zu
den Kabinen.
Die Szene reichte aus, seine Erregung aufflammen zu lassen wie eine unge-
löschte Glut, in die der Wind fährt. Lawrence wurde sich gar nicht bewusst, dass
er Carry wie hypnotisiert nachstarrte. Das Blut dröhnte in seinen Ohren und sein
Herz hämmerte so wild, dass er den Puls im Hals spürte. Er musste sich einen Mo-
ment am Tisch festhalten, als er sich erhob, um das Schwimmbad zu verlassen.
«Ist dir nicht gut?», erkundigte sich Patrick besorgt, der Carry langsam gefolgt
war.
Lawrence riss sich zusammen.
«Alles in Ordnung», versicherte er hastig, mit einem mörderischen Blick auf
Patrick, der erschrocken zurückfuhr. «Amüsier dich nur.»
Mit einem Lächeln, das dem eines Haifischs ähnelte, wandte Lawrence sich
um und ging hinaus.
———————
Sie erhob sich, beugte sich vor und blies die Kerzen aus. Einen Moment ruh-
ten ihre Blicke auf dem liebevoll gedeckten Tisch. Das Silberbesteck war alt, auf
Hochglanz poliert. Ein Erbstück ihrer Urgroßmutter, das sie nur für ihn aus der
Schatulle nahm.
Die langstieligen Gläser hatte sie auf einem Flohmarkt erstanden. Sie waren
aus echtem, böhmischen Kristall, vor Jahrzehnten von Einwanderern ins Land
gebracht, die sie wahrscheinlich eine Ewigkeit lang gehegt, gepflegt und weiter-
vererbt hatten, bis irgendein Nachfahre, der mit Tradition nichts am Hut hatte,
die guten Stücke achtlos fortgeworfen oder einem Trödler mitgegeben hatte. Sie
waren handgeschliffen und wegen ihres Alters sehr wertvoll, was der Verkäufer
jedoch nicht gewusst haben konnte, sonst hätte er sie nicht zu diesem Spottpreis
hergegeben.
Auch das Porzellan hatte eine eigene Geschichte: Es stammte aus einer Ver-
steigerung, der ersten und einzigen, an der sie jemals teilgenommen hatte. Echtes
Meißner, ebenfalls aus einem europäischen Familienfundus, das aus irgendwel-
chen Gründen keine richtigen Gebote erhalten hatte. Als sie den Zuschlag bekam,
hatte der Auktionator sie angesehen, als wollte er sie fressen.
Mit langsamen Bewegungen begann sie, den Tisch abzuräumen. Sie tat es akri-
bisch, jedes Teil wurde mit zärtlicher Behutsamkeit an seinen angestammten Platz
zurückgelegt. Anschließend zog sie die Damastdecke ab, stopfte sie in die Maschi-
ne, obwohl sie vollkommen sauber war, und ging in die Küche, um das unberührte
Essen in den Mülleimer zu werfen.
Er war nicht zum Dinner gekommen. Obwohl er es ihr versprochen hatte.
« Ich habe zwar das Haus voller Gäste, aber das macht nichts. Ich muss dich sehen. Ein ganzes Wochenende ohne dich, das halte ich nicht aus .»
Die Worte klangen noch in ihr nach. Sie brauchte nur die Augen zu schließen,
dann hörte sie seine Stimme und fühlte seinen Blick auf ihrer Haut, mit dem er sie
ansah, während er sprach. Aber sie würde ihm keine Vorwürfe machen. Vorwürfe
und Anschuldigungen vertrieben Männer wie ihn schneller, als man in die Hände
klatschen kann. Sie würde sich ihre Verstimmung überhaupt nicht anmerken las-
sen, wenn er ihr das nächste Mal begegnete. So würde er am besten erkennen, dass
sie die Einzige war, die ihn verstand und bei der er wirklich zu Hause
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