Janusliebe
lang geneigt war, ein-
fach aufzulegen. Doch dann dachte sie daran, dass sie sich seine miese Behandlung
nicht gefallen lassen musste. Nicht nach allem, was sie für ihn getan hatte.
«Ich muss dich sehen», sagte sie, ohne sich zu entschuldigen, wie er es wahr-
scheinlich erwartet hatte. «Morgen Nachmittag, vier Uhr, bei dir?»
«Untersteh dich, bei mir aufzutauchen!» Er schrie so laut, dass sie den Hörer
von ihrem Ohr weghalten musste. «Ich bin nicht da, verstehst du? Wenn du es
wagst, in mein Haus zu kommen, dann ...»
«Was dann?», hakte sie scheinbar gelassen nach, als er schwieg.
«Du würdest es bitter bereuen», klang seine Stimme plötzlich gefährlich leise
an ihr Ohr. «Nimm dich in Acht. Ich lasse mich nicht herumkommandieren wie
einen Lakaien.»
«Willst du es wirklich darauf ankommen lassen?», fragte sie sanft.
«Ja.» Er war kompromisslos, daran hätte sie denken sollen.
«Ich melde mich, gute Nacht», hörte sie ihn sagen, dann war die Verbindung
unterbrochen.
Langsam legte sie den Hörer aus der Hand. Dieser Anruf war der endgültige
Beweis dafür, dass er nicht mehr so bei ihr war wie früher. Es wurde höchste Zeit,
dass sie handelte.
Ihr Blick wanderte zu den Zeitungsbildern, die sie ordentlich in schnurgerader
Reihe an die Wand gepinnt hatte. Die kleine Schlampe sah ihr darauf lachend ent-
gegen, unbeschwert und nicht ahnend, dass ihr Leben bald zu Ende sein würde.
SIE würde dafür sorgen, dass die kleine Schlampe nie wieder ihre kleinen
Schlampenhändchen nach dem Mann einer anderen Frau ausstreckte!
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«Du musst einfach Geduld haben.» Daphne saß vor ihrem beleuchteten
Schminkspiegel und bürstete ihr schulterlanges blondes Haar, das unter den kräf-
tigen Strichen leise knisterte. «Lawrence ist ein schwieriger Typ, den man nicht
im Sturm erobert. Du hast doch schon einiges bei ihm erreicht. Nun musst du ein-
fach warten und dich nicht vor ihm zurückziehen. Im Gegenteil.»
«ICH ziehe mich nicht vor ihm zurück», widersprach Carry ärgerlich. «Law-
rence hat sich den ganzen Sonntag nicht sehen lassen. Noch nicht einmal zum
Verabschieden ist er aus seiner Höhle gekommen.»
«Vielleicht hatte er Frust?» Daphne legte die Bürste aus der Hand. «Nach dem,
was du mir erzählt hast, wäre das gut möglich.» Sie kicherte leise. «Männer sind in
solchen Dingen ganz furchtbar empfindlich.»
Carry schwieg und betrachtete nachdenklich den großen Plüschelefanten,
der am Fußende des Bettes lehnte. Die Freundinnen waren am frühen Nachmit-
tag nach Hause gefahren. Lawrence hatte sich den ganzen Vormittag über nicht
blicken lassen. Zwar hatte Vincent nach dem Frühstück versucht, seinen Bruder
aus dem Zimmer zu locken, war aber unverrichteter Dinge ins Schwimmbad zu-
rückgekehrt, wo sich die Gäste versammelt hatten. Und auch Purler, der wenig
später mit einem Tablett ins Obergeschoss stieg, musste das für Lawrence gerich-
tete Frühstück wieder unberührt in die Küche tragen.
Nach einem kleinen, aber schmackhaften Mittagsimbiss hatte man sich dann
für die Abreise gerüstet. Carry, die sich nun doch ein wenig um Lawrence sorgte,
war noch einmal zu seinem Zimmer gegangen, hatte aber auf ihr Klopfen keine
Antwort erhalten. Hinter der verschlossenen Tür war alles ruhig geblieben und
Carry hatte sich enttäuscht und mit Bitterkeit im Herzen von den anderen verab-
schiedet.
Vincent wollte am Abend vorbeikommen, um mit Daphne in die Garry-Trends-
Show zu gehen, die seit Monaten Massen von Besuchern anzog. Carry hoffte, dass
er ihr eine Nachricht von Lawrence überbringen würde. Irgendein nettes Wort,
eine Erklärung für sein Verschwinden, das ihr wieder Hoffnung machen konnte.
Sie versetzte dem Plüschelefanten einen ungeduldigen Schubs und erhob sich.
«Mag sein, dass Männer in diesen Dingen verletzlich reagieren, aber ich habe
mich doch gar nicht beschwert.» Sie blieb hinter Daphnes Stuhl stehen, die sich
eben sorgfältig die Lippen schminkte. «Wahrscheinlich hat er ganz einfach genug
von mir. Es war eben doch nicht so, wie er es sich vorgestellt hat und nun ...» Sie
brach ab und hob ratlos die Schultern. «Na ja, du weißt schon.»
«Nein!» Daphne warf den Lippenstift auf den Schminktisch und fuhr zu Carry
herum, die mit hängenden Armen vor ihr stand. Ein Bild fleischgewordener Resi-
gnation. «Nein, ich weiß nicht, was du meinst! Aber ich weiß, dass du gerade ganz
gewaltig spinnst.»
Sie
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