Jared King - der Unternehmer
verletzlich sie sich dabei fühlte. Sorgfältig wählte sie ihre Worte.
“Nun, ich denke, das Geschäft ist eine Sache und die Gefühle eines Menschen eine ganz andere. Zum Beispiel … lobst du sie jemals? Gibst du ihr das Gefühl, geschätzt zu werden? Hast du ihr je deine Anerkennung gezeigt?”
In der nachfolgenden Stille wurde Sam von einem Wust von Erinnerungen bestürmt. Sie schwankte zwischen Schuldgefühlen und der Selbstrechtfertigung ihres eigenen Verhaltens. Vor allem aber wünschte sie sich unglücklich, es wäre zwischen ihr und Tommy anders gelaufen. Natürlich hatte er ihr einen verantwortungsvollen Job anvertraut und ihre neuen Ideen bereitwillig aufgenommen, aber sie hatte nie einen Lohn für ihre Bemühungen gesehen. Jedenfalls nicht den Lohn, den sie sich ersehnt hatte … dass Tommy sie so angesehen hätte wie heute und sie mehr als jede andere Frau begehrt hätte.
“Wenn sie sich so ausgenutzt fühlt, warum ist sie dann nicht schon längst gegangen und hat sich einen Job bei einer anderen Fluggesellschaft gesucht?”, fragte Tommy schließlich schroff.
Sams Mut sank. Offenbar war Tommy nicht bereit, eine Schuld bei sich zu sehen. Tatsächlich hatte sie unzählige Male daran gedacht, von ihm fortzugehen … und es einfach nicht übers Herz gebracht. “Wenn du dich so ausgenutzt fühlst, warum hast du sie nicht schon längst entlassen?”, entgegnete sie angespannt. Sie hatte das Gefühl, verloren zu haben. Aber was sollte sie tun? Es war doch nicht alles allein ihre Schuld, oder?
Von Panik ergriffen bemerkte sie, dass Elizabeth King und Jared bereits am Eingang des Festzelts warteten. Es blieb nicht mehr viel Zeit für ein privates Gespräch. Miranda und Nathan standen im Begriff, ihre Plätze für den Empfang einzunehmen, und sie und Tommy mussten sich jeden Moment zu ihnen gesellen, um jeden einzelnen der zahlreichen Gäste auf dem Weg ins Festzelt persönlich zu begrüßen.
Sam warf Tommy einen ängstlichen Blick zu. Er bemerkte es und lächelte unerwartet. Dann nahm er, wie schon zweimal zuvor, ihre Hand und hakte sie unter seinem Arm ein. Die so geschaffene Nähe ließ in Sam erneut Hoffnung aufkeimen.
“Was meinst du, warum kann keiner von uns von dem anderen lassen?”, fragte Tommy sanft.
Es war schon zu dämmrig, als dass sie den Ausdruck in seinen Augen hätte lesen können, aber sie spürte, dass er sie eindringlich ansah. Die Antwort auf seine Frage lag ihr auf der Zunge: Weil ich dich liebe. Ich habe dich immer geliebt. Und ich werde mich nicht eher ganz fühlen, bis du meine Liebe genauso erwiderst … Doch sie brachte diese Worte nicht über die Lippen, aus Angst, Tommy könnte ihre Gefühle nicht erwidern.
“Noch mehr Stoff zum Nachdenken, nicht wahr?”, sagte er leise und führte sie zu ihrem Platz an der Seite von Braut und Bräutigam.
Während des feierlichen Defilees der Gäste blieb Sam und Tommy keine Zeit, über etwas anderes nachzudenken. Mit den meisten tauschte man einige Höflichkeitsfloskeln aus, dann zogen sie weiter. Janice’ Eltern allerdings nahmen Tommys Aufmerksamkeit etwas länger in Anspruch und schwärmten ihm davon vor, wie traumhaft schön diese Hochzeit sei.
Ron und Marta Findlay besaßen eine Kette von Reisebüros oben im Norden … in Cairns, Darwin, Wyndham, Kununurra, Broome … und betrieben verstärkt die Förderung des Tourismus im Outback, was sie für Tommy zu wichtigen Geschäftspartnern machte. Sam fragte sich, was sie wohl über die kurze Affäre ihrer Tochter mit Tommy King dachten. Nichts in ihrem Verhalten verriet, dass sie wussten, dass Tommy Janice den Laufpass gegeben hatte. Zweifellos hätten sie Tommy gern als zukünftigen Schwiegersohn gesehen und schmeichelten seiner Gunst.
Dabei konnte es ihnen nicht ums Geld gehen. Davon hatten sie mehr als genug, wie Sam wusste und wie Martas teurer Brillantschmuck bewies, ebenso wie das elegante Seidenkleid, das einen ähnlich tiefen Ausschnitt vorwies wie das Kleid ihrer Tochter. Aber wenn man auf Status bedacht war, bedeutete es immer noch etwas Besonderes, sich einen der legendären Kings aus den Kimberleys als Schwiegersohn zu angeln.
Sam war erleichtert, als Marta endlich Tommys Arm losließ und mit ihrem Mann weiterging. Sicher war es dumm, aber in Gegenwart solcher Frauen, die überschwänglich und geziert ihre Weiblichkeit zur Schau trugen, fühlte sie sich stets unwohl, und es ärgerte sie maßlos, wie die Männer meist darauf abfuhren. Sie fand es entwürdigend, und
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