Jasmin - Roman
glaubten, wir würden in Frieden mit ihnen leben …«
»Und haben einen weiteren Krieg angefangen und weitere Gebiete erobert …«, fuhr Jasmin dazwischen.
Sonja betrachte sie konsterniert, und Jasmin fuhr im patronisierenden Plural Sonjas fort: »Wir wollten helfen, aber wir dachten, wir seien besser als sie. Wer hat den Arabern Etiketten angeheftet, wenn nicht wir? Arabische Arbeitsmoral, monotone Musik, sozial und technologisch schwach, und was wir den Arabern zuschrieben, haben wir auch den Juden aus den islamischen Ländern zugeschrieben.«
Ich bohrte meinen Blick in den Boden. Ein Erdbeben. Jasmin, wer braucht das jetzt?
»Wirf die Juden aus den islamischen Ländern nicht mit den Arabern in einen Topf«, erwiderte Sonja, diesmal mit unverhüllter Anspannung. »Und was die Araber angeht, weißt du eigentlich, dass wir immer einen binationalen Staat propagiert haben? Sie waren diejenigen, die uns nicht akzeptieren und nicht in Frieden leben lassen wollten. Sie haben weder dem bilateralen Plan noch der Teilung 47 zugestimmt und Krieg angefangen, und noch einen Krieg, um uns zu vernichten …«
»Und jetzt besetzt ihr … Verzeihung, besetzen und unterdrücken wir ein anderes Volk«, unterbrach sie Jasmin. Schweiß glänzte auf ihrer Stirn. Sie zündete sich eine Zigarette an, schenkte sich ein Glas Wasser ein und trank es in einem Zug leer.
»Du verstehst nicht. Wir haben uns hier als Idealisten niedergelassen. Wir glaubten, und glauben immer noch, dass wir an unserem Verhältnis zu den Minderheiten gemessen werden. Ich werde dir vorlesen, was Achad Ha’am dazu sagte, nach dessen Lehre wir erzogen wurden.« Sonja stand auf und nahm ein Buch aus dem Regal: ›Wir müssen vorsichtig sein in unserem Umgang mit einem fremden Volk, in dessen Mitte von Neuem zu wohnen wir gekommen sind, es mit Liebe und Achtung behandeln, und es braucht nicht gesagt zu werden, mit Gerechtigkeit und Recht.‹«
»Das heißt, dass wir eine aufgeklärte Besatzungsmacht sind«, lächelte Jasmin spöttisch. »Ist das möglich? Warum sollte uns gelingen, wo andere gescheitert sind? Die Franzosen haben es in Algerien versucht, und es hat mit einem Blutbad geendet.«
Sonja entgegnete, halb protestierend, halb entschuldigend: »Schau mal, wir tun alles, um die ›bewaffnete Notwehr‹ einzuhalten, die Menschenrechte und Gerechtigkeit zu beachten und niemanden zu verletzen oder zu erniedrigen.«
»Es tut mir leid, anderer Meinung zu sein, vor allem da ich dein Gast bin«, ging Jasmin zu offener Kritik über, »aber du bist hier im Kibbuz weit weg von der Realität, du weißt nicht, was draußen passiert. Ich gehe herum und sammle Material, und ich entdecke harte Dinge, sehr harte sogar. Wir ignorieren, was wir ihnen angetan
haben: Militärregime, Landenteignung, Abhängigkeit von Genehmigungen, Absperrung der besetzten Gebiete, kulturelle und nationale Unterdrückung. Viel Unrecht, auch wenn es nicht mit Absicht ist.«
Die innere Überzeugung und die Leidenschaft in ihren Worten entzückten mich. Wenn sie nur eine Jüdin gewesen wäre und ich sie rechtmäßig nach jüdischem Gesetz hätte heiraten können! Ich blickte auf die Uhr und wurde ungeduldig. Die Diskussion konnte ein Feuer entzünden, von dem ich mich fernhalten wollte, und in Kürze würde ich ohnehin im Kreuzfeuer des Vortrags stehen müssen.
»Du sagst sehr harte Dinge. Ich …«, es fiel Sonja schwer zu antworten. Ihre Stimme wurde weicher: »Vielleicht liegt ein Körnchen Wahrheit darin, und es gibt tatsächlich Fehlentwicklungen … Vielleicht fällt es uns schwer, Fehler einzugestehen und in den Spiegel zu sehen … Doch was das Land angeht, da malst du das Bild zu schwarz. Du bist jung, und es gibt Dinge, die du nicht erforscht hast. Du musst wissen, dass die Effendis und die Oberhäupter der arabischen Familien, denen wir unseren Boden abgekauft haben, ein Vermögen mit ihren Verkäufen verdient haben. Auch die arabischen Arbeiter, die bei uns arbeiteten, hatten einen schönen Lebensunterhalt, und es kamen Araber aus benachbarten Ländern hierher, um Arbeit zu finden, und so ist ihre Zahl angewachsen. Ohne die erneute jüdische Ansiedlung in Palästina wären die Araber nicht hergekommen.«
Sonja schwieg nachdenklich, und danach fügte sie mit müder, aber fester Stimme hinzu: »Unrecht begeht man, wenn man es beabsichtigt. Unsere Absichten waren lauter.«
»Meine Damen«, sagte ich in das Schweigen der beiden hinein, »wir müssen los. Der Vortrag fängt
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