Jasmin - Roman
einer Auslandsreise zurückgekehrt und habe mir Schokolade mitgebracht. »Komm bei mir vorbei, für einen besonders guten Morgen«, sagte sie.
Levana empfing mich mit ihrem liebenswürdigen Lächeln. »Gut, dass du gekommen bist, der Minister hat darum gebeten, dass du auf ein paar Minuten zu ihm hereinkommst«, und sie zog das Päckchen aus der Schublade und legte es auf den Tisch. »Die Schokolade wartet auf dich.« Ich dankte ihr und ging zum Minister hinein.
»Guten Morgen, Herr Minister.«
Er erwiderte meinen Gruß nicht und wirkte verärgert.
»Stimmt es, dass Sie auf einem Parteiforum in Jerusalem vor der jungen Garde aufgetreten sind, zusammen mit Ihrem zionsverfolgten Onkel?«, eröffnete er mit finsterem Gesichtsausdruck.
Mein Magen krampfte sich zusammen, als hätte man mir einen Faustschlag versetzt. »Das stimmt.«
»Das widerspricht den Dienstvorschriften.«
»Ich habe beim Personalchef des Staatsdienstes nachgefragt, und mir wurde gesagt, dass ich als Experte auftreten dürfe. Übrigens bin ich überhaupt nicht zum Reden gekommen wegen der Tumulte im Publikum«, sagte ich nervös.
Nun zog der Minister ein Blatt Papier aus seiner Jacketttasche und zitierte aus meinem Vortrag im Kibbuz. »Sind die Zitate korrekt?«, fragte er, und seine großen Augen durchbohrten mich.
»Ja.«
»Stimmt es, dass Sie bei demselben Vortrag im Kibbuz gesagt haben, dass wir auf die befreiten Gebiete verzichten müssen und für die Araber einen Staat errichten und dass Jerusalem, die ewige Hauptstadt unseres Volkes, eine offene Stadt werden muss, über der alle Fahnen der arabischen Länder und des Vatikans wehen?«
»Das stimmt.«
Er schleuderte seinen Bleistift auf den Tisch, verschränkte seine Finger und schaute mich als, als sei ich ein begriffsstutziger kleiner Junge. »Ich habe Sie großgezogen, ich habe Sie zu einer wichtigen Aufgabe ernannt, ich habe Ihnen Türen geöffnet, Ihnen Vertrauen geschenkt. Sagen Sie mir, wie können wir zusammen
weitermachen? Wie konnten Sie sich erlauben, in aller Öffentlichkeit wie ein Defätist zu sprechen? Sie sind mein Berater und leiten mein Büro in Ostjerusalem! Wissen Sie, welchen öffentlichen, politischen und parteiinternen Schaden Sie mir zugefügt haben?«, sagte er aufgebracht.
»Es tut mir sehr leid, wenn ich Ihnen Kummer verursacht habe, das lag keinesfalls in meiner Absicht. Ich habe keinen Grund der Welt, Sie zu verletzen«, sagte ich.
Er schloss die Augen und schüttelte den Kopf, als wollte er sagen, »darum geht es nicht«, nahm eine große Büroklammer und fing an, in seinen Fingernägeln zu stochern.
Ich fuhr fort: »Habe ich Ihre Anweisungen nicht erfüllt? Habe ich Dinge im Widerspruch zu Ihrer Politik getan?«
»Nicht Ihre Loyalität und Ihre Taten stehen hier auf dem Prüfstand, sondern Ihre Anschauungen! Weshalb gelingt es mir nicht, Sie zu überzeugen?«
»Weil ich anders denke«, antwortete ich leise. »Herr Minister, wir sind Waisen, und sie sind Waisen, wir leiden an einem Opferkomplex und sie auch, wir leiden an einem Flüchtlingskomplex und sie ebenso. Der Unterschied ist nur, dass unser Bauch jetzt voll ist und ihrer leer. Wir haben ein Zuhause und sie nicht. Sie sind zerfressen von Neid und Hass und Frustration. Bei uns sagt man, man muss den Regenschirm öffnen, bevor es regnet. Und wenn wir nicht auf die Gebiete verzichten, ihnen nicht helfen, einen Staat zu errichten, und ihnen keine Unterstützung bei der Lösung ihres Flüchtlingsproblems geben, kann auch Gott den Plonter, den Knoten, nicht lösen.«
Es herrschte Stille. Er warf die Büroklammer auf den Schreibtisch und begann, an seinen Augenbrauen zu zerren. »So können wir nicht weitermachen«, stellte er fest.
»Wenn Sie gestatten, ich möchte zum Rauchen hinausgehen«, sagte ich und trat ins Vorzimmer. Dort stand ich reglos am Fenster, und meine Gedanken überschlugen sich fieberhaft angesichts der Kritik, die über mich hereingebrochen war. Das war
kein klärendes Gespräch mehr, das war die Konfrontation zweier Weltanschauungen. Er gab mir seinen amtlichen Segen nicht, und ich müsste meine Seele verkaufen, ein Chamäleon sein. Ich wurde wieder zum Sohn von Flüchtlingen, einer, der dem Anschein nach dazugehörte, dem Anschein nach zu den Hausherren zählte, der aber nur unter Vorbehalt aufgenommen worden war. Er wollte mich nur, wenn ich ihm widerspruchslos folgte, ich war nichts als ein Wasserträger, den man an die Hand erinnert, die ihn füttert.
Ich nahm ein
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