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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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wir werden den Golan sehen.«
    Sie stand etwas verkrampft da, wartete darauf, dass er sie hereinbat, doch die Einladung blieb aus. »Gut, es ist ein Familientreffen …« Sie vollendete den Satz nicht.
    Nachdem sie gefahren war, fragte ich: »Warum hast du sie nicht hereingebeten?«
    »Vergiss es, das passt jetzt nicht, Mama mit ihren Tränen und Papa krank.«
    Jardena hätte mir sofort den Laufpass gegeben, wenn ich mich ihr gegenüber so benommen hätte. Aber auch ich hatte im Grunde nach Vorwänden gesucht, um einer Verpflichtung zu entgehen.
     
    Mein Vater sprang vom Bett auf, umarmte und küsste Kabi lange Zeit, und beim Anblick der verbundenen Schulter schüttelte er den Kopf mit stummem Vorwurf in meine Richtung.
    »Was ist dir passiert, mein Herz?«, fragte meine Mutter und fiel ihm um den Hals, mit abgerissenem Schluchzen, in dem sich Schmerz und Erleichterung mischten.
    »Ein Splitter hat mich gestreift, es ist nichts weiter.« Doch meine Mutter ließ ihm keine Ruhe, bevor er ihr nicht genau erzählt hatte, wie und wo es passiert war, ob es ihm weh tat, wer ihn behandelt hatte, was der Arzt sagte und wann es verheilt sein würde. Er erzählte schnell, als wollte er zu einem wichtigeren Thema übergehen.
    »Und wie geht es dir, Papa? Was ist das für eine Geschichte mit dem Herzen?«, fragte er.
    »Alhamdulillah, der Himmel liebt mich. Er hat mir eine Warnung
geschickt«, mein Vater legte eine Hand auf Kabis Schulter. »Hauptsache, dass ihr alle wohlbehalten zurückgekehrt seid, und du Nuri«, wandte er sich vorwurfsvoll an mich, »hättest ihn nicht mit meinem Anfall beunruhigen dürfen.«
    Ich grinste, weil mich genau im gleichen Moment, wie eine Art seitenverkehrtes Echo, Mamas Stimme schalt: »Warum hast du uns nicht erzählt, dass er verletzt ist? Der Kibbuz hat dich verdorben.«
    Ich hatte mich an diese Schelte gewöhnt, vor allem nach jener Dummheit, als ich ihnen aus dem Kibbuz zu Jom Kippur ein unkoscheres Huhn ohne Kopf mitgebracht und behauptet hatte, es sei nach allen Regeln der Religion geschlachtet worden. Seitdem nannte mich meine Mutter oft »Abu-Märchen«.
    Nun holte sie wieder ihre Bleikugeln und absolvierte das Ritual gegen den bösen Blick für Kabi.
    Wir saßen in der Küche, wunderbarer Duft stieg aus den Töpfen auf. Kabi stand auf, holte sich aus einem Topf ein Fleischklößchen, blies darauf, um es abzukühlen, und schluckte es hastig, um sich nicht die Zunge zu verbrennen.
    Mein Mutter flüsterte meinem Vater zu: »Wenn er die Nase in die Töpfe steckt, braucht man sich keine Sorgen zu machen«, und zum ersten Mal, seit wir hereingekommen waren, lächelte sie.
    »Mama«, bat Kabi, der ihr Lächeln bemerkte, »vielleicht kannst du mir morgen Pilaw mit Dschidsch machen.« Dieser Reis mit Huhn und Kichererbsen, Zwiebeln, gerösteten Mandeln und Rosinen war sein Lieblingsessen.
    »Warum hast du Sandra nicht mitgebracht?«, fragte meine Mutter. Kabi gab keine Antwort. »Das ist nicht schön«, sagte sie und trocknete ihre Hand an der Schürze ab.
    Mein Vater fragte, an welchen Kämpfen er teilgenommen habe, und Kabi machte eine abwehrende Handbewegung, als wollte er sagen, später, doch mein Vater ließ nicht locker, und er war gezwungen, etwas zu erzählen.
    »Mein Sohn, wasch dich. Nuri wird dir helfen, du solltest den
Krankenhausgeruch loswerden«, sagte meine Mutter, die Königin der Sauberkeit, und drückte ihm sofort ein weißes Hemd zum Wechseln in seine gesunde Hand. Die kleine, enge Immigrantenbehausung hatte unter ihren Händen immer geglänzt, alles war blitzblank, sogar dem Treppenhaus, das vor Kleinkindern überquoll, war es vergönnt, zweimal am Tag aufgewischt zu werden. Eine heiße Dusche war in ihren Augen Heilung und Medizin für alles.
    »Wirst du nach Europa zurückgehen?«, fragte mein Vater. Kabi nickte, und mein Vater senkte den Blick, als hätte er ihn zurückgestoßen.
    »Papa, ich bin neu auf dem Posten und muss einen Fuß auf die Erde bekommen. Ich werde zu Besuch kommen, wann immer ich kann«, versuchte Kabi ihn zu beschwichtigen.
    »Abu Kabi, machst du dir schon wieder Sorgen? Freu dich jetzt an deinem Sohn, noch ist er nicht weggefahren, die Wunde muss erst verheilen«, sagte meine Mutter.
    Kabi, im bestimmten Ton des ältesten Sohnes, wechselte das Thema. »Nu, was sagst du dazu? Dein Sohn Nuri ist zum Berater eines Ministers und Leiter seines Büros in der Altstadt ernannt worden. Er wird demnächst einen Wagen von der Regierung erhalten, und er hat

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