Jasmin - Roman
preußischer Offizier. Sie begrüßten einander, wie sie es jeden Morgen taten, erkundigten sich nach der Gesundheit, dem Befinden von Frau und Kindern, den übrigen Verwandten und ganz allgemein, und unterdessen brachte der Oberkellner wie jeden Tag englischen Tee mit Milch für Abu George, eine Sitte, die er sich in der Mandatszeit angewöhnt hatte, und ungezuckerten arabischen Kaffee für Abu Nabil.
»Was gibt’s Neues, Abu George?«, fragte sein Freund.
»Gestern Nacht kam der Berater des Ministers zu mir, dieser dünne junge Mann, mit dem uns der Colonel hier vor ein paar Tagen bekannt gemacht hat«, antwortete Abu George und erläuterte den Inhalt des Gesprächs.
»Sollen sie Meerwasser saufen. Das Leben wieder in Gang zu bringen würde ihnen dienen, nicht uns. Im Gegenteil, wir müssen ihnen das Leben schwer machen, den Kampf aufnehmen«, sagte Abu Nabil und grimassierte wie Jussuf Wahbi, der beliebte ägyptische Schauspieler und Regisseur. »Unsere Energie muss ausschließlich auf eine einzige Sache gerichtet werden: wie wir sie loswerden.«
Abu George sah ihn mit stumpfem Blick an und schwieg.
Sein Freund fuhr mit dem Löffel in das Schälchen Pflaumenkonfitüre und verschlang sie genießerisch. »Ich sage dir, dass man
von jetzt an, wo die Grenzen durchbrochen worden sind und die verfluchten Zionisten mit eigenen Händen das ausgelöscht haben, was sie die ›Grüne Linie‹ nennen, dafür sorgen muss, dass unsere Brüder, die Palästinenser, ganz langsam Israel infiltrieren, dort arbeiten, sich mit der Bevölkerung mischen, sich mit unseren Brüdern und Schwestern dort verheiraten, und im Lauf der Zeit werden sie dort die Mehrheit sein. Und so, ganz langsam und allmählich, werden unsere palästinensischen Brüder von hier und die antizionistischen Orthodoxen dort Israel in die Zange nehmen.« Er brach in Gelächter aus und fuhr fort, an der Konfitüre zu lecken, bis er das Schälchen geleert hatte.
Abu George überging die widersinnigen Phantasien seines Freundes und versuchte, mit ihm die Frage zu klären, die ihn quälte: »Lassen wir das jetzt mal beiseite, was sein wird und was nicht sein wird im Laufe der Zeit. Die Frage ist, was wir jetzt mit ihnen machen. Momentan sind wir von ihnen, möge ihr Haus zerstört werden, abhängig. Die Gewalt über die Bewegungsfreiheit liegt in ihren Händen, die Steuern und Abgaben, Handel und Bau, sogar die Importerlaubnis für holländisches Bier …«
»Man braucht gar nichts tun, jetzt liegen wir ihnen schwer im Magen, wir halten sie an den Eiern. Sieh doch, wir drücken sie von Osten, drängen sie von Süden, reiten auf ihnen im Norden, wohin sie sich auch wenden, überall stoßen sie auf uns. Sie haben nur einen Ausweg, das Meer! Worüber machst du dir Sorgen …« Er brach wieder in lautes Gelächter aus. Abu George begann ihn für seinen Optimismus zu beneiden. »Wir werden ihnen das Leben zur Hölle machen«, rieb sich Abu Nabil die Hände.
»Wie?«
»So wie ich gesagt habe, von jetzt an liegen wir ihnen im Magen. Wir werden sie vergiften, von vorn bis hinten ficken.«
»Dafür braucht man einen Schwanz, auf den man sich verlassen kann«, gab Abu George zurück. »Wir haben zwar Kampfflugzeuge und Panzer, Radar und Fernsehen, aber auch die Mentalität von Kameltreibern«, bemerkte er wie zu sich.
»Abu George, sei mir nicht böse, inte nusrani, du bist Christ, und du weißt die Macht des Islam nicht zu schätzen. Man muss diese Geschichte zu einem Religionskrieg machen, und die Sache ist gelaufen. Ich möchte dich an Hassan al-Banna erinnern. Erinnerst du dich, wie sein Aufruf, den Tod mehr zu lieben als das Leben, in Ägypten eingeschlagen hat? Diese Ware muss man ein paar Hitzköpfen bei uns verkaufen, und das Feuer wird von selber brennen.«
»Und was meinst du, sollen wir die Zeitung wieder herausgeben?«
»Hast du dieses Kerlchen gefragt, warum sie uns plötzlich erlauben, die Zeitung herauszugeben? Pass bloß auf, nimm dich in Acht vor ihm.«
Abu George wurde wieder von seinem schweren Husten gepackt.
»Dir steht eine Entschädigung für Kriegsversehrung zu«, kicherte Abu Nabil. »Eine 5-Sterne-Behandlung in ihrem Hadassa-Krankenhaus.« Er nahm den letzten Schluck Kaffee, sah sich um und beugte sich dann zu seinem Freund hinüber: »Vor zwei Tagen hat Abu Amar, Arafat, meinen Nabil gerufen und ihn für die al-Fatah rekrutiert. Ich habe zu ihm gesagt: ›Mein Sohn, warum du, du hast gerade geheiratet, deine Frau ist schwanger‹, und
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