Jax
Kehle zuschnürt. Aber als einer der Männer die Waffe an Jax’ Schädel drückt, hält mich nichts mehr.
»Nicht schießen! Wir kommen in Frieden!«, rufe ich und trete aus der Dunkelheit auf die anderen zu. Sofort richtet sich die Hälfte der Waffen auf mich. »Ich bin unbewaffnet! Ich bin Ärztin!« Rasch hebe ich die Arme.
»Sam«, brüllt Jax. Offensichtlich sind seine Lebensgeister zurückgekehrt. Oder hat er seine Bewusstlosigkeit nur vorgespielt? Verdammt, hoffentlich habe ich nichts vermasselt.
Aus einer Platzwunde an seiner Stirn läuft Blut. Er wehrt sich in seinen Fesseln und versucht sie zu zerreißen – vergeblich. Zwei Rebellen entfernen die Wurfsterne, Minigranaten und andere Waffen von seiner Schutzweste und verpassen ihm weitere Tritte, weil er nicht stillhält. Zuletzt nehmen sie ihm auch noch das Handycom weg.
»Was suchst du hier, verdammt?«, grollt er, als würde er die Tritte nicht spüren.
»Ich komme, um dich zu retten!« Meine Stimme zittert genauso stark wie der Rest meines Körpers.
Die Rebellen lachen. Sehe ich tatsächlich so wenig gefährlich aus?
»Du hättest in deinem Versteck bleiben sollen«, knurrt Jax, dann ruft er: »Wer sie anfasst, ist tot!«
Ein blond er Bursche tritt ihm gegen die Schulter. »Halts Maul, Warrior.«
Soweit ich das überblicke, ist unter den Rebellen vom Jugendlichen bis zum alten Mann alles vertreten. Ein Hüne mit braunem Haar, durch dessen Wange sich eine Narbe zieht – wie ich im schwachen Licht erkennen kann –, packt mich am Arm. »Heute ist unser Glückstag. Ein Warrior und eine Ärztin. Zwei Leute, die dem Senat treu ergeben sind. Wer von euch will zuerst sterben?«
»Wir sind auf eurer Seite. Ich bin eine Sklavin!« Verdammt, sie werden uns töten! Hektisch schnappe ich nach Luft. »Ich kann euch helfen, ich bin Chirurgin, habe Medikamente dabei!« Zum Glück habe ich auch alles eingepackt, was ich im Medizinschrank gefunden hatte. Medizin ist für die Outlander wertvoll und für die Rebellen ebenso.
Einer zerrt mir den Rucksack vom Rücken, während ich versuche, mich loszureißen. »Ich muss zu ihm, er ist verletzt!« Ein anderer zieht mir den Ausschnitt des Shirts über die Schulter und betrachtet meine Sklavenzahl. Dann spuckt er darauf, igitt!, und rubbelt mit dem Daumen darüber. »Das Tattoo ist echt!«
Der Griff um meinen Arm lockert sich, aber der Rebell gibt mich nicht frei. »Was suchen eine Sklavin und ein Warrior hier unten?«
»Antworten«, erwidere ich mit wild pochendem Herzen, weil ich nicht weiß, wie viel ich verraten darf.
»Ich bin gekommen, um den Mord an meinem Bruder Cedric Carter aufzuklären!«, ruft Jax. »Und ich bin ein Abtrünniger, habe mich von meinen Waffenbrüdern losgesagt.«
Sofort beginnen einige zu tuscheln, während sich mein Herz zusammenzieht. Ich sehe Jax an, wie schwer es für ihn ist, nicht mehr zu den Kriegern zu gehören. Das war sein Leben, seine Brüder waren seine Familie.
Eine junge Frau löst sich aus der Gruppe. Sie ist mir bisher nicht aufgefallen, wahrscheinlich, weil sie wie alle anderen einen schwarzen Overall trägt und ihr dunkles Haar streng nach hinten gebunden hat. Als sie den Strahl ihrer Lampe auf Jax richtet, werden ihre Augen groß. »Du bist tatsächlich Jax!«
Umständlich hockt er sich hin. »Kanntest du Ced?«
»Ja, er …«
»Halt die Klappe, Sonja«, sagt ein maskierter Rebell ungehalten und zieht sie am Arm zurück. »Wir quetschen ihn aus, sobald Julius da ist. Soll der ihm seine Fragen beantworten.«
Jax legt den Kopf in den Nacken und starrt den Mann finster an. »Julius Petri? Ist er euer Anführer?«
Der Kerl stupst ihn mit dem Lauf seiner Waffe an der Schulter an. »Woher kennst du diesen Namen?«
»Von Cedric. Bevor er starb, hat er gesagt, ich soll ihn aufsuchen. Nur deshalb bin ich hier.«
»Das kann eine Falle sein«, sagt der Rebell grollend und winkt zwei große Männer heran. »Verbindet den beiden die Augen, wir nehmen sie mit ins Hauptquartier!«
Jax versucht ihnen auszuweichen, doch vergeblich. Schon binden sie ihm ein Tuch um den Kopf. »Ist Julius euer Anführer? Ich will mit ihm sprechen!«
»Er ist unterwegs ins Quartier«, erwidert der Rebell drohend. »Dort wirst du mit ihm und seinen speziellen Verhörmethoden Bekanntschaft machen.«
Stockend schnappe ich nach Luft, während sie auch mir die Augen verbinden. Gott, werden sie uns foltern? Mir wird abwechselnd heiß und kalt. Hört denn diese verdammte Angst niemals
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