Jax
Abendhimmel. Resur ist der einzig beleuchtete Fleck in der Wüste und verschwindet langsam hinter einem alten Hotelkomplex. Dafür tut sich auf der anderen Seite White City auf. Die Kuppel schimmert in einem milchigen Blau, weil in der Stadt die Lichter angegangen sind. Sie wirkt harmlos. Wie eine gigantische Seifenblase. Die fünfzigtausend Einwohner haben keine Ahnung, was hier draußen passiert und was der Senat mit den Resurern vorhat. Jax ist ihre einzige Hoffnung, den Angriff durch die Luftwaffe aufzuhalten.
Als der Monorail-Express in den verfallenen Bahnhof einfährt, atme ich zitternd ein und drücke seine Hand.
Sonja tritt zu uns und erklärt Jax, wie er den Zug bedienen kann, damit er bei seiner Rückkehr den weiten Weg in die Stadt nicht zu Fuß zurücklegen muss. Die Bahn lässt sich auch über einen Computer steuern, so kann Sonja sie nach unserer Ankunft in Resur allein zurückfahren lassen.
Gemeinsam mit Jax steige ich auf den düsteren Bahnsteig. Die Wachen geben ihm seine Weste und das Gewehr, anschließend gehen sie wieder in den Zug.
Sonja verabschiedet sich mit einem militärischen Gruß von Jax und sagt: »Zeig es ihnen, Großer«, bevor sie sich ebenfalls ein Stück zurü ckzieht.
Er nickt ihr zu und wendet sich dann an mich. Hastig fährt er sich durchs Haar und überreicht mir seine Sonnenbrille, damit ich sie aufbewahre, solange er weg ist. »Also, bis später.«
Ich packe ihn an der Weste. »Pass auf dich auf. Wehe, du kommst nicht zurück.«
»Mir passiert schon nichts«, sagt er, nur klingt es wenig überzeugend. Er weiß selbst, wie gefährlich seine Mission ist.
Ununterbrochen starre ich ihn an, um noch einmal jedes Detail in mich aufzunehmen: sein hartes, männliches Gesicht, die blauen Augen, die feine Narbe, die sich durch seine Unterlippe zieht. Ich habe kein Foto von ihm, nichts, was er mir zurücklässt außer meinen Erinnerungen.
»Brav bleiben, meine Kleine«, raunt er an meinen Lippen, bevor er mich küsst. Es ist ein einfacher Abschiedskuss, aber für mich fühlt es sich an, als würde er für immer gehen.
Er möchte schon los, als ich ihn erneut festhalte. Meine Augen brennen. »Du weißt, wie sehr ich dich liebe?«
»Ja, das weiß ich.« Er drückt mich an seinen harten Körper, gibt mir einen letzten Kuss und wendet sich abrupt ab. Ohne auch nur ein einziges Mal zurückzublicken, marschiert er davon.
Kein: Ich liebe dich auch. Weil es ihm verdammt schwerfällt, über Gefühle zu reden. Das verstehe ich, trotzdem hätte ich es gerne gehört. Nur ein Mal bevor er … Nein, er wird zurückkommen!
»Lass uns heimfahren, Sam.« Sonja nimmt meine Hand und zieht mich in Richtung Zug, doch ich möchte Jax noch so lange hinterhersehen, bis seine Gestalt hinter den Ruinen verschwindet. Dabei weine ich hemmungslos. Ich sollte lieber sparsamer mit meinen Tränen sein, denn falls es Jax nicht schafft, wird es kein frisches Wasser mehr geben. Dann wird es bald nichts mehr geben außer Kriegsleid.
Falls Jax gefangen, gefoltert oder erschossen wird, erfahren wir es nicht. Er hat kein Funkgerät dabei, nichts, das seine Feinde auf ihn Aufmerksam machen könnte. Und es gibt keinen Verbündeten in White City zu dem wir Kontakt haben.
Bitte, Jax, komm zu mir zurück …
***
Im Inneren der Pyramide tigere ich durch die Stadt, zwischen Verkaufsständen und unzähligen Leuten hindurch. Sobald ich an ihnen vorbeigehe, verstummen sie, sehen mir nach und tuscheln miteinander. Ob sie glauben, Jax hätte sich nun abgeseilt oder dass er ein Spion der Kuppelmenschen ist? Sollen sie do ch denken was sie wollen – ich weiß es besser und ich will ihn nur zurück.
Alle warten auf die erlösende Lautsprecherdurchsage des Bürgermeisters, dass frisches Trinkwasser eingetroffen ist. Die Stunden vergehen – nichts passiert. Ich bekomme immer schlechter Luft, und Sonja kann mich auch nicht ablenken. Irgendwann hat sie es aufgegeben mit mir zu sprechen und i st zu Jul gegangen. Er muss noch ein paar Tage zur Überwachung auf der Krankenstation bleiben.
Wieso läuft das Wasser nicht? Jax müsste längst am Rohr sein. Haben die Warrior ihn entdeckt? Oder muss er sich verstecken, weil es im Untergrund nur so von Soldaten wimmelt? Er ist allein. Allein gegen eine Armee. Der Gedanke macht mich verrückt.
Plötzlich gesellt sich ein Mädchen zu mir. Es ist keine achtzehn und schwänzelt schon die ganze Zeit hinter mir her.
»Darf ich dich was fragen?« Ihre großen braunen Augen
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