Je länger, je lieber - Roman
brachen unter ihren Tritten. Bis sie einen schlanken Mann in T-Shirt und Jeans inmitten von Gestrüpp stehen sah. Mimi erkannte ihn sofort. Augenblicklich verlangsamte sie ihre Schritte. Sie strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr, zog sich die Bluse glatt und atmete tief durch. Sollte sie versuchen, unbemerkt zu entkommen? Oder sollte sie sich einfach nur freuen, dass ihr alter Freund da war? »Bruno?«
Der Mann im weißen T-Shirt drehte ihr sein hübsches, sonnengebräuntes Gesicht zu und nahm die Sonnenbrille ab. Sein altbekanntes fröhliches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Yamyam?«
Mimi grinste breit. »Hey.«
Seit Ewigkeiten hatten sie sich nicht mehr gesehen. Seit Ewigkeiten hatte sie niemand mehr so genannt. Yamyam. Ein warmes Gefühl der Geborgenheit durchströmte ihren Körper. Bruno kam ein paar Schritte auf sie zu. Er ging barfuß, und seine Augen strahlten noch immer in diesem jungenhaften Dunkelblau. »Woher wusstest du, dass ich hier bin?« Verlegen wischte er sich über die Stirn. »Oder hast du das gar nicht gewusst?«
»Nicht direkt.« Mimi strich sich nun ebenfalls verlegen eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich hab nur deine Turnschuhe auf der Schwelle gesehen und wollte plötzlich nachsehen, was unsere Räuberhöhle macht.« Sie räusperte sich. »Also, ob es die noch gibt.«
Sie kam näher, bis sie Bruno erreicht hatte, der wieder einige Schritte in Richtung Unterschlupf gemacht hatte. Seit fünfzehn Jahren hatten sie sich nicht mehr gesehen! Was für eine unglaublich lange Zeit dafür, dass er ihr kein bisschen fremd vorkam, sie musste gar nicht so tun, als wäre alles in Ordnung. Plötzlich war alles in Ordnung. »Und? Ist alles noch beim Alten?«
»Na ja. Vielleicht müsste man mal ausfegen, aber ansonsten ist die Höhle fertig zum Überwintern. Wir haben eben damals etwas für die Ewigkeit gebaut … wie es scheint.« Er drehte sich zu ihr um und grinste verschmitzt.
»Ja, für die Ewigkeit.« Mimi hockte sich hin und sah hinein in diesen wundersamen Unterschlupf, der nach Erde und Laub duftete. Sie fühlte zwischen ihren Fingern die dünnen Zweige, die sie einst gebogen und zwischen die starken gewoben hatte. Sie roch die Rinde. Die Erde. »Wollen wir uns hineinsetzen? So wie früher? Nur für einen Augenblick?« Oder war das verrückt? Zumindest würde es eng werden.
Bruno hockte sich neben sie. »Warum nicht? Du weißt aber, dass da drinnen eine ganze Menge Spinnen sein könnten, die nur darauf warten, dir auf den Kopf zu springen.«
Mimi zuckte mit den Schultern. »Na und?«
»Du hast also keine Angst mehr vor ihnen?« Bruno legte seine Stirn in Falten.
»Ich glaub nicht.« Obwohl sie sich da plötzlich nicht mehr ganz so sicher war. Spinnen gehörten tatsächlich nicht gerade zu ihren Lieblingstieren. Doch jetzt war es zu spät. Mutig bewegte sie sich im Watschelgang in die Räuberhöhle hinein. An ihren Füßen und den nackten Armen kribbelte und kitzelte es. Irgendetwas krabbelte auf ihrem Kopf – oder bildete sie sich das nur ein? Bruno kroch auf allen vieren hinterher, wobei er bemüht war, das jahrzehntealte Gebilde nicht mit seinen breiten Schultern einzureißen. »Ich werde hier nie wieder rauskommen!« Lächelnd setzte er sich im Schneidersitz neben Mimi. »Okay. Wahnsinn! Da sind wir wieder! YamYam und ich in unserer Räuberhöhle. Hast du ein paar Himbeeren dabei? Oder Bucheckern? Ich hab Hunger.«
Mimi kicherte. »Leider nicht.« Damals, als sein Körper etwa ein Drittel seines jetzigen Umfangs ausmachte, hatte er die langbeinigen Spinnen über seine gebräunten Hände und Arme krabbeln lassen. Vollkommen furchtlos.
»Und Yamyam hat keine Angst mehr vor Spinnen. Dann muss ich ja gar nicht mehr hoffen, dass eine kommt, damit ich dich retten kann.«
»Hast du damals gehofft, dass eine Spinne kommt, damit du mich retten kannst?« Sie versuchte, das Krabbeln auf ihrem Kopf zu ignorieren.
»Na klar, was denkst du denn! Leider hat mir nie eine den Gefallen getan. Und jetzt, wo du keine Angst mehr vor ihnen hast, spaziert eine besonders große, schwarze auf deinem Haar herum. Ist das nicht gemein?«
Mimi riss die Augen auf. Innerlich schlug sie schon mit Händen und Füßen um sich. »Könntest du sie bitte, bitte wegmachen? Sofort!«
»Aber gern!« Bruno streckte seine Hand aus, nahm die Spinne von ihrem Kopf und schloss vorsichtig seine Finger um sie. »Willst du das Prachtexemplar sehen?«
»Nein danke!« Mimi tastete sich auf den Haaren
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