Je länger, je lieber - Roman
herausbringen.
»Allo? Ici domaine viticole Barreto.«
»Äh … Bonjour, c’est Miriam Bachman…«
»Ou est-ce ici?«, wurde Mimi mitten im Satz von einer mürrischen alten Männerstimme entgegengeschmettert. Sie versuchte es noch einmal und stotterte drauflos.
»Je m’appelle Miriam Bachmann. Je voudrais parler avec …«
»Je ne connais pas Miriam Blablabla. Que-ce-que vous voudrais?«
Die Stimme wurde unwilliger. Das Rascheln lauter. Im Hintergrund hörte Mimi eine andere Männerstimme, die auf Französisch mit dem Mann am Telefon zu reden schien. Sie verstand kein Wort von dem, was da gesprochen wurde. Sie holte tief Luft. So ließ sie nicht mit sich umspringen.
»Je voudrais parler avec Cécile Barreto. Est-ce qu’elle y a ici?«
Jetzt brüllte die Stimme wieder direkt in die Sprechmuschel. »Pedro!« Dann wechselte der Hörer seinen Besitzer. Mimi verstand gerade noch so, dass Cécile nicht da war. Der Mann am Telefon war offenbar ihr Onkel oder etwas in der Art. Mimi bedankte sich und legte auf. Was war das denn bitte? Diese Leute wollten ein Hotel führen? Sprangen die mit all ihren Gästen derart ungehobelt um?
Verwirrt starrte Mimi auf ihr Handy. Sie wusste nicht, was René gewollt hatte, und sie wusste nicht, was mit Jacques Barreto war. Ratlos umklammerte sie das Gerät mit beiden Händen, als wollte sie es ausquetschen, in der Hoffnung, aus ihm lebenswichtige Informationen herauszubekommen.
15
Unterwegs, 2013
»Er war gestern Abend hier!« Alice saß inmitten von geöffneten Kartons und aufgeschlagenen Aktenordnern, als Mimi am nächsten Vormittag in den kühlen Keller der Galerie hinunterkam.
»Wer?« Sie trat an den langen Tisch heran und starrte nervös ihre Assistentin an, die sich die kinnlangen, nussbraunen Haare zu einem winzigen Pferdeschwanz gebunden hatte und ziemlich müde aussah. Obwohl Mimi längst wusste, von wem Alice sprach, fragte sie noch mal: »Wer war da?«
»Na, dein Exmann.« Alice blickte kurz auf und verdrehte die Augen. Neben ihr auf dem Tisch versammelten sich mehrere Starbucks-Kaffeebecher und ein halb aufgegessener Schokomuffin. Weiter hinten im Raum standen leere Bilderrahmen und ein halbes Dutzend Müllsäcke, gefüllt mit längst verjährten Notizen und Katalogen.
»Und was wollte er?« Mimi ließ sich auf der Tischplatte nieder und tat alles, um nicht allzu interessiert zu wirken. Sie wollte sich von Alice nicht noch einmal eine unqualifizierte Standpauke darüber anhören, dass man fremdgehenden Männern unter keinen Umständen verzeihen durfte. Alice hob kurz die Hand und ließ sie schlaff auf die Tischplatte fallen. »Keine Ahnung. Wissen, wo du bist?«
»Und was hast du ihm gesagt?« Am liebsten hätte Mimi die junge Frau geschüttelt. Musste sie ihr denn jedes Wort aus der Nase ziehen? Manchmal nervte es sie, dass Alice sich gern als die Erfahrenere von beiden aufführte, als diejenige, die wusste, wie das Leben lief, dabei wurde sie nächstes Jahr erst dreißig.
»Nichts habe ich ihm gesagt. Er kann froh sein, dass ich ihn nicht total zusammengestaucht habe. Obwohl ich eine Heidenwut auf ihn habe!« Alice seufzte und ließ ihre Stimme weniger aggressiv klingen. Fast fürsorglich. »Er soll dich in Ruhe lassen. Du hast in deinem Leben schon genügend Verluste erlitten. Er hat definitiv ausreichend Schaden angerichtet. Sieh dich mal an, wie du aussiehst. Du läufst in Jogginghosen und T-Shirt herum, und ich wette, deine Haare hast du auch seit ein paar Tagen nicht mehr gewaschen.«
»Na und?« Mimi verschränkte die Arme vor der Brust. »Was spielt das für eine Rolle?«
Ohne zu antworten, erhob sich Alice von ihrem Platz und gab ein bedauerndes Seufzen von sich. Als wäre Mimi nicht mehr zu helfen. Dafür holte sie von hinten aus dem Regal einige Papphefter und hielt sie ihr hin. »Du musst am Ende selber wissen, wie du zu dieser miesen Nummer stehst. Ich sage nur: einmal Betrüger – immer Betrüger. Hier habe ich übrigens noch ein paar alte Unterlagen deiner Großmutter gefunden.«
Mimi setzte sich zähneknirschend neben Alice und schlug einen der Hefter auf, in dem sich statt der erwarteten Geschäftspapiere ein Stapel Bleistiftskizzen von Jelängerjelieberblüten befand, die von exotischen Schmetterlingen und libellenartigen Wesen umflort wurden und mit »Clara Zweig« signiert waren. Dem Papier nach zu urteilen mussten sie schon sehr alt sein. Hübsche, kleine Fantasiestudien, die zeigten, dass ihre Großmutter handwerklich einiges
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