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Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)

Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)

Titel: Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Mockridge , Lars Lindigkeit , Markus Paßlick
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Wielpütz.
    Bis vor ein paar Wochen.
    »Was kann ich für Sie tun, junger Mann?«
    »Fünf Weltmeister-Brötchen, drei Croissants, drei normale«, antwortete ich ihr. »Und fünf Milchbrötchen mit viel Calcium – ich bin ja noch im Wachstum … Haben Sie auch die aktuelle ›BRAVO‹ für mich? Und was ganz toll wäre: Wenn Sie vielleicht drüben im EDEKA für mich ein Sixpack Bier kaufen könnten – diese Erwachsenen-Schweine wollen immer meinen Ausweis sehen …«
    Seit diesem Tag ist das »junger Mann« in meiner Stammbäckerei Geschichte.

19.
    Senioren in der Mauser
    Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem ich mein erstes Haar verlor. Das war hart, das kann ich Ihnen aber flüstern. Nicht, dass es die erste Trennung meines Lebens gewesen wäre, im Gegenteil: Von meiner schlanken Figur hatte ich mich bereits einige Jahre zuvor unter Tränen, Geschrei und fliegenden Tellern verabschiedet. (Sie hatte einfach eines Tages einen Neuen, das untreue Luder – ausgerechnet Herrn Krämer von gegenüber, der mit strenger Diät fünfzehn Kilo abgespeckt hatte. Das Schwein!) Doch wie heißt es so schön: Die Zeit heilt alle Wunden – auch diese. Ich bin drüber weggekommen. Herr Krämer wurde von meiner Ex-Figur übrigens auch bald wieder verlassen – für Frau Friedrich eine Straße weiter, die sich im Fitnessstudio angemeldet hatte. Besser bi als nie. Ich kann heute drüber lachen. Aber dein erstes verlorenes Haar – darüber kommst du nicht so einfach weg.
    Grau war mein Haupthaar schon länger. Das hatte ich akzeptiert, daran hatte ich mich gewöhnt. Mein Sohn Liam nannte mich gerne »Silver Surfer«, das ist irgend so ein seltsamer Superheld. Liam hat mir das mal ausführlich erklärt: Der Silver Surfer war ursprünglich ein männlicher Außerirdischer der humanoiden Rasse der Zenn-Lavianer, der auf dem Planeten Balla-Balla im Sockenschuss-System lebte. Oder so ähnlich, ich krieg das nicht mehr richtig zusammen. Und ich will Liam auch nicht extra fragen, sonst hält der mir wieder einen stundenlangen Vortrag über dieses ganze bekloppte Marvel-Comic-Universum. Gibt es eigentlich Superhelden über sechzig? Wird »Spiderman« auch mit zweiundneunzig, mit Gicht und grauem Star, noch die Wände der Wolkenkratzer hochkraxeln – oder sitzt er dann doch im Heim und erzählt der Schwester zum tausendsten Mal dieselben alten Geschichten?
    »Wissen Sie, Schwester, ich hab ja damals dem Grünen Goblin den Hintern versohlt, da waren Sie noch gar nicht gebor…«
    »Ja, ja, liebe Spinne, das ist ganz toll – aber Sie müssen jetzt wirklich Ihre Tabletten schlucken, sonst werde ich böse … Und dann bring ich Sie gleich schön zur Morgengymnastik!«
    Egal, das tut jetzt nichts zur Sache. Wo war ich stehengeblieben? Richtig: Mein erstes verlorenes Haar.
    Es war ein Donnerstag. Donnerstag, der 7. Februar 1991. Ich entsinne mich, als wäre es gestern gewesen: Es hatte in der Nacht geschneit. Zwölf Knoten Windgeschwindigkeit, 1009 Hektopascal Luftdruck, fünf Prozent Regenwahrscheinlichkeit. Der Tag, an dem du zu deinem ersten Haar zum Abschied leise »Servus« sagst, brennt sich dir ein. Ich wachte morgens auf wie immer, erhob mich aus dem Bett, schlurfte nichtsahnend Richtung Bad. Als ich wenig später mit der Zahnbürste in der Hand durchs Schlafzimmer lief (ich vollziehe während des Zähneputzens gerne meine allmorgendliche Hausinspektion), machte ich eine Entdeckung, bei der ich im hohen Bogen die aufgeschäumte Zahnpasta ausprustete. Mir wurde schwindelig.
    »Margie! Nicky, Teo, Luki, Lenny! KOMMT SCHNELL HER!«
    Meine beiden Jüngsten Jeremy und Liam waren damals noch nicht geboren, doch ich denke, selbst sie standen bei diesem Ruf bereits als Spermien stramm. Der Rest meiner Familie kam angelaufen, sah das Entsetzen in meinem kalkweißen Gesicht.
    »Was ist los, Dad?« Meine Liebsten schauten mich besorgt an. »Hast du ein Gespenst gesehen oder was?«
    »Schlimmer!«
    Ich deutete mit zittrigen Fingern auf mein noch warmes Kopfkissen. Und dort lag es, silbern schimmernd in der durchs Fenster sanft hereinstrahlenden Wintersonne.
    Ein graues Haar. Mein graues Haar!
    »Du warst noch so jung …«, hob ich es klagend vom Kissen, streichelte das ausgefallene Haar in meiner Hand. »Du hattest noch so viel vor! Du hattest Träume ! Warum, Gott? Waaaruuuuuuuummmmm?«
    Ich wischte mir rechtzeitig eine sich in der Entstehung befindende Träne aus dem Augenwinkel, bevor ich mich an meine versammelte Familie

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