Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)
wandte, die mich anschaute, als sei ich nicht ganz dicht. (Keine Ahnung, wie die darauf kam.) Doch wir mussten jetzt stark sein. Ganz stark.
»Lasst uns so von ihm Abschied nehmen, wie es das verdient hat.«
Ich führte meine Familie in den Garten, buddelte ein kleines Loch, in das ich mein erstes ausgefallenes Haar beisetzte. Nachdem ich ein langes, tief ergreifendes Requiem gehalten hatte, drehte ich mich zu den anderen um.
»Möchte vielleicht jemand noch ein paar Worte sagen?«
»Ja, Dad … Lass uns endlich reingehen, es sind 5 Grad minus, wir frieren uns hier den Arsch ab!«
Während ich dem Drängen meiner Söhne nachgab, gemeinsam mit ihnen zurück ins Haus zu gehen, dachte ich schweren Herzens nur noch: Das also ist der Generationenkonflikt, von dem immer alle reden. Und es war ja eigentlich auch sonnenklar, mir fiel es plötzlich wie Haare vom Schädel: Wie soll die »Generation Sackrasur« meine Gefühle verstehen? Heute wird schließlich alles sofort abrasiert, entwachst und abgefackelt, was auch nur kurz neugierig sein haariges Köpfchen aus der Hautpore herausstreckt. Metrosexuell nennt man das. Einen metrosexuellen Mann erkennen Sie daran, dass er die »Gillette«-Klingen gleich palettenweise in der Metro kauft. Ich dagegen bin noch von der alten Schule: Echte Männer tragen Bärte. Nicht so komische Gesichtsvaginas, die aussehen, als hätte dir nachts im Schlaf eine Maus deine Gesichtsbehaarung zurechtgeknabbert – nein, richtige Bärte. Bärte, in denen du, wenn es sein muss, fünfköpfige Flüchtlingsfamilien verstecken kannst. Bärte, aus denen du der gesamten Bevölkerung Russlands Winterpullover stricken kannst – und dann noch was übrig hast für Handschuhe! Wie sollen meine glattrasierten Söhne, diese fleischgewordenen Ganzkörper-Babypopos, da meine Trauer nachvollziehen können?
Ich drehte mich, kurz bevor ich durch die Haustür ging, noch einmal zum Garten um. Mach’s gut, alter Freund, dachte ich. Wir hatten viele schöne Zeiten. Du bist jetzt an einem besseren Ort. Wie sieht wohl der Himmel für Haare aus? Wahrscheinlich so wie der Bart von Reinhold Messner.
Das also war der Abschied von meinem ersten Haar. Und es sollte leider nicht das letzte Haar bleiben, das sich von meinem Kopf in den Tod stürzte, weil es keinen Sinn mehr in seinem Dasein sah. Doch keine Angst – das Schöne im Alter ist: Es wachsen genug neue Haare nach. Ja, ehrlich! Gut, natürlich nicht auf dem Kopf, das ist klar – aber auf dem Rücken, auf den Ohren und aus der Nase. Gerade Nasenhaare, diese niedlichen kleinen Dinger mit der ganz besonders robusten Materialqualität – herrlich! Und vertrauen Sie mir: Die wachsen schneller als Bambus! Ich könnte, wenn ich wollte, quasi in Echtzeit vor dem Spiegel beobachten, wie mir die Nasenhaare aus dem Riechkolben sprießen. Das fällt natürlich auch meiner Frau Margie auf, die mir dann rechtzeitig kleine Hinweise gibt. Natürlich absolut subtil und nur leicht andeutend, ohne mich dabei zu erniedrigen – so, wie es die große Stärke meiner Frau ist.
»Bill, du hast Büschel in der Nase!«
»Wie bitte?«
»Wie kannst du so überhaupt noch atmen?«
»Margie, bitte, was soll denn das? Das ist doch Quatsch!«
»Du selbst musst das ja auch nicht sehen. Aber ich bin kleiner als du, und immer, wenn ich vor dir stehe, schaue ich in den Urwald in deinen Nasenlöchern! Wir kaufen dir gleich morgen einen Nasenhaartrimmer.«
»Einen … was ?«
»Einen NA-SEN-HAAR-TRIM-MER!«
Ein bisschen kam es mir vor, als wolle meine Frau mich kastrieren lassen. Nur schlimmer. Als echter Mann mit echtem Nasenhaar im Haus sprach ich ein Machtwort: »Kommt nicht in Frage!«
»Wie du willst. Dann rasier ich mir halt nicht mehr die Achseln und die Beine.«
»Ach, Schatz!«, lenkte ich schnell ein. »Ich seh gerade: Es ist erst 19:45 Uhr – wenn wir schnell sind, schaffen wir’s noch zu Karstadt!«
Eine intime Frage: Rasieren Sie sich den Rücken? Und falls ja: Wie zur Hölle kommen Sie da ran? Auch mir sprießen im Alter die Haare nicht nur aus der Nase, sondern eben auch auf der Rückseite meines Körpers. Büschelweise! Meine Frau nennt mich manchmal schon den »Werwolf von Bonn-Endenich«. Gut, hauptsächlich wegen meines Appetits, aber trotzdem. Was die Haare auf dem Rücken angeht: Ich komm einfach nicht richtig dran – und das ist ein Problem! Meiner Frau möchte ich das nicht zumuten, da sich bei uns beiden der Erotikfaktor einer Rückenrasur
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