Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)
brummen. Das war jetzt aber definitiv nicht mehr normal für unser IKEA-Sofa »Klippan«. Wir sprangen erschrocken auf, und was sprang im nächsten Moment raus? Ein Waschbär! Keine Ahnung, wie der sich ins Haus geschlichen und wie lange der sich schon in unserer Couch versteckt hatte. Auf jeden Fall stand er jetzt vor uns und fauchte böse mit seinen kleinen aufgerissenen Augen.
»Tu was!«, forderte meine Frau mich auf, drückte mir einen Besen in die Hand. Meine Jungs sahen nur tatenlos zu. Manchmal ist es – auf gut Deutschnaisch gesagt – echt fu**ing Scheiße, das Oberhaupt der Familie zu sein. Der wildgewordene Waschbär fauchte mich demonstrativ noch lauter an. Vermutlich mochte er keinen Frauenfußball, wollte viel lieber »Canadian Idol« sehen und war sauer, dass wir umgeschaltet hatten.
»Na, warte …«, murmelte ich leise. Ich schaute dem Waschbär tief in die Augen, ohne zu blinzeln. »Diese Hütte ist zu klein für uns beide, Fremder!«
Ich scheuchte den tierischen Eindringling todesmutig mit dem Besen Richtung Haustür. Der machte vorher jedoch noch einen flinken Abstecher ins Esszimmer, um sich – ohne auch nur abzubremsen – eine Scheibe Toast als Wegzehrung zu schnappen. War das zu fassen? Der Halunke kannte sich in meinem eigenen Haus schon besser aus als ich! Irgendwann hatte ich ihn endlich aus dem Haus – und hoffte, ihn für immer verscheucht zu haben.
Als ich unserem Nachbarn, einem pensionierten Profi-Hockeyspieler für die »Maple Leafs«, am nächsten Tag von unserem unfreiwilligen Besuch erzählte, wollte der mir sein »Baby« leihen – eine Original Winchester 1912, ein Erbstück seines Vaters. Während er liebevoll den Lauf putzte, versprach mein Nachbar: »Bill, vertrau mir, diese Süße hier ist das Letzte, was dieser Schweinehund sieht, bevor er im Waschbärenhimmel wieder aufwacht.«
So weit wollte ich dann aber doch nicht gehen und habe mir ein paar Öko-Fallen besorgt. Zwei Tage später saß der Toast-Meisterdieb auch schon drin und wurde anschließend von mir ganz weit weggebracht.
Wir kriegen in Kanada übrigens auch netteren Besuch: Jedes Jahr besucht uns ein Elchpärchen. Die beiden sind so süß, dass selbst ich erfolgreich verdränge, wie viel süßer sie noch in Ahornsirup auf meinem Teller wären. Wir haben die beiden wirklich ins Herz geschlossen. Kaum kommen wir in Kanada an, warten sie auch schon auf unserer Wiese. Egal, ob wir uns amüsieren, uns streiten oder was auch immer – die zwei Elche gehören fast schon zur Familie, sind stets dabei.
Außer, wenn er sie mal wieder verscheucht. Ja, da gibt es noch einen tierischen Stammgast. Wir nennen ihn »Bruno«.
Bruno ist der Schlimmste von allen. Dagegen ist der wildgewordene Waschbär aus unserem Sofa ein Kuscheltier. Ich konnte Bruno lange Zeit nicht leiden, wurde allein beim Gedanken an ihn genauso grummelig wie er selbst. Bruno ist seines Zeichens ein echter Braunbär, der sich ab und zu aus dem angrenzenden Wald blicken lässt. Er kommt nie wirklich nah an unsere Hütte heran, zum Glück, trotzdem verbreitet seine imposante Gestalt auch aus der Ferne immer ein gewisses Unbehagen. Wenn wir draußen grillen, hab ich stets Angst, der leckere Geruch könnte Bruno anlocken. Wie gesagt: Ich konnte diesen verdammten Braunbären lange nicht ab. Er versaute uns irgendwie die Unbeschwertheit im Urlaub. Außerdem war ich heimlich neidisch auf sein volles Haupthaar – aber das ist eine andere Sache.
Letzten Sommer jedoch, im Jahr des Waschbären, war es so weit. Es kam zur ultimativen Begegnung zwischen Bruno und mir. Ich wollte eigentlich nur etwas Holz sammeln für unseren Kamin. Als ich gerade einen besonders schönen Scheit aufhob, sah ich ihm plötzlich direkt in seine kalten Bärenaugen: Bruno stand direkt vor mir, schaute zu, was ich so machte. Er musste mich entweder schon länger beobachtet haben, oder er konnte sich noch leiser anschleichen als meine Frau, wenn sie wollte, dass ich bei der Hausarbeit half. Mich trennten schätzungsweise drei Meter von Braunbär Bruno, einem der gefährlichsten Tiere der Welt. Glauben Sie mir: In solch einem Moment schrumpfen drei Meter subjektiv auf eine mikroskopisch kleine Größe. Ganz im Gegensatz zum Bären, der kam mir noch viel größer vor als sowieso schon. Bruno richtete sich vor mir auf. Ich erstarrte in Todesangst. Bruno brüllte nicht und fletschte auch nicht die Zähne oder so, nein – er stand einfach so vor mir. Das allerdings reichte bei
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