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Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)

Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)

Titel: Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Mockridge , Lars Lindigkeit , Markus Paßlick
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weitem aus, dass mir mein eh schon rhythmisch gestörtes Herz fast stehenblieb.
    »Ich bin Gammelfleisch, längst abgelaufen!«, hätte ich Bruno am liebsten zugerufen. »Akute Salmollengefahr, lass es einfach!« Doch natürlich brachte ich kein Wort heraus. Ich war mir sicher: Mein letztes Stündchen hatte geschlagen. Ich schloss im nur mäßig stolzen Alter von dreiundsechzig Jahren mit meinem Dasein ab.
    Es heißt immer, im Angesicht des Todes ziehe das ganze Leben noch einmal an einem vorbei. Doch das stimmt nicht. Wie ich dort so stand, mich versteinert meinem Schicksal überließ, in der Gewissheit, dass Bruno mich jeden Moment mit seinen kräftigen Pranken angreifen und zerfleischen würde, zog keine Vergangenheit an mir vorbei. Wirklich nicht. Was ich stattdessen sah: all die Dinge, die ich unbedingt noch ein letztes Mal hätte machen wollen. Ein letztes Mal meiner Frau Margie sagen, wie sehr ich ihr chaotisches römisches Wesen liebe. Ein letztes Mal meine Boulebrüder beim Spielen schlagen, während wir über Gott und die Welt philosophieren. Ein letztes Mal ein Stückchen von diesem Wahnsinnskäse auf der Zunge zergehen lassen, den mir Frau Braun, die Chefin meines Lieblingsfeinkostladens damals ans Herz gelegt hatte. Ein letztes Mal in meinem »Springmaus«-Theater den Zuschauern einen tollen Abend bescheren. Ein letztes Mal …
    In diesem Moment ließ sich Bruno wieder auf alle viere fallen. Er schaute mich noch kurz an, fast ein wenig doof, schnaubte einmal laut durch – dann drehte er sich um und verschwand zwischen den Bäumen.

    Ich stand noch mehrere Minuten dort, bevor ich mich wieder zu atmen traute. Zumindest kam es mir so vor. Danach ging ich mit noch etwas weichen Knien und meinem gesammelten Holz durch den Wald zurück. Als ich in unser Haus kam, stand meine Frau gerade beim Geschirrabwaschen. Ich umarmte sie von hinten, worauf meine Margie sich so erschrak, dass sie den Teller in ihrer Hand fallen ließ. Er zersprang auf dem Boden mit einem lauten Knall in tausend Teile.
    »Bill, bist du bescheuert?!«, schimpfte meine Frau mich aus. »Musst du mich immer so erschrecken? Das fegst du auf!«
    Ich umarmte sie noch fester. »Zu Befehl, wird sofort gemacht … Hab ich dir heute eigentlich schon gesagt, wie sehr ich deinen himmlisch chaotischen Kopf liebe?«
    Ich schnappte mir Schaufel und Besen und fegte pfeifend die Scherben vom Boden auf.
    »Wo sind die Kinder?«, fragte ich Margie.
    »Drüben beim Gary Leeman. Der wollte ihnen seine Eishockey-Sammlung zeigen.«
    Wie süß. Margie glaubte meinen Jungs diese Nummer immer noch. Natürlich interessierten die sich nur am Rande für die ruhmreiche Eishockey-Vergangenheit unseres Nachbarn. Hauptsächlich wollten sie die Winchester sehen.
    »Bruno trieb sich vorhin wieder hier rum!«, schimpfte meine Frau. »Kann dieser blöde Bär nicht einfach mal in seiner Höhle bleiben, wo er hingehört?«
    Ich nahm meine Frau noch mal in den Arm, schaute aus dem Fenster Richtung Wald. »Ach komm, lass ihn …«, sagte ich versöhnlich. »Der Kerl ist in Ordnung.«
    Wir hörten ein leises Geräusch, ließen uns davon aber beim Kuscheln nicht stören. Erst später würden wir rekonstruieren können, dass sich, während wir uns liebten, das Ehepaar Elch durchs offene Küchenfenster genüsslich an unserem Apple Pie bediente. Ich wusste den gemeinsamen Moment mit meiner wunderbar römisch-chaotischen Frau mehr denn je zu schätzen. Die Vorfreude, wenn ich nach unserer Rückkehr nach Deutschland wieder mein Bühnenprogramm spielen würde. Und natürlich den phantastischen Käse meiner Feinkost-Göttin aus der Friedrichstraße. Verdammt nochmal, was ist das Leben schön! Und zwar in jedem Augenblick, ob mit zwanzig, vierzig, dreiundsechzig oder einhundertzehn!
    Danke, Bruno.

28.
    Rentner rüsten auf
    Sie haben es hoffentlich nicht bemerkt, aber ich war beim vorigen Kapitel ein wenig unkonzentriert. Das tut mir leid, es soll nicht wieder vorkommen. Zu meiner Verteidigung sei erklärt: Ich hab mich während des Schreibens die ganze Zeit nervös gefragt, ob meine Tasche noch draußen im Auto liegt. Das soll man ja nicht machen – wegen der Autoknacker. Denen strömt bei solch einem Anblick vor Freude sofort der hochkriminelle Geifer die Mundwinkel herunter, weil sie denken: »Ah, eine Tasche! Da ist bestimmt eine Geldbörse drin! Kreditkarten! Vielleicht auch noch eine Videokamera, zwei Goldbarren, der Familienschmuck – und eine Segelyacht!« Gut, Letzteres

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